Sanktionen gegen Ernesto Cardenal aufgehoben

Papst Franziskus hat sämtliche Sanktionen gegen den nicaraguanischen Befreiungstheologen Ernesto Cardenal aufgehoben. Das teilte die Nuntiatur in Managua mit, wie Vatican News berichtet. Nuntius Stanislaw Sommertag habe vor wenigen Tagen den Befreiungstheologen besucht und ihm in der Folge mitgeteilt, Franziskus habe sämtliche Sanktionen gegen ihn aufgehoben. Zugleich habe der Nuntius Cardenal angeboten, mit ihm gemeinsam die erste Messe seit fast 35 Jahren zu feiern. Wegen Cardenals politischem Engagement hatte ihm Papst Johannes Paul II. 1985 die Ausübung des priesterlichen Dienstes verboten. Als Johannes Paul Nicaragua einen Pastoralbesuch abstattete, ging das Bild um die Welt, wie der Papst den Priester-Politiker mit erhobenem Zeigefinger ermahnte.

Laut Kirchenrecht ist Priestern die Übernahme politischer Mandate nicht gestattet. Zuvor war Ernesto Cardenal unter anderem am Sturz des Diktators Anastasio Somoza (1925-1980) in Nicaragua beteiligt, nach der Revolution 1979 wurde er Kulturminister der sandinistischen Regierung unter Daniel Ortega. Inzwischen hat Cardenal sich von der erneut regierenden Regierung Ortega losgesagt. Dieser sei ein „kleiner, mieser Diktator“, wurde Cardenal zitiert.

Ernesto Cardenal wurde am 20. Januar 1925 in Granada/Nicaragua geboren. Sein Literaturstudium begann er in Managua und setzte es 1942-1946 in Mexiko fort. Von 1947-1949 studierte er an der Colombia-University in New York, anschließend reiste er zwei Jahre durch Europa. 1954 beteiligte er sich an der „April-Revolution“ gegen Somoza, die vorzeitig verraten wurde und mit dem Tod vieler seiner Freunde endete. Am 8. Mai 1957 begann Cardenal sein Noviziat im Trappistenkloster Gethsemany/Kentucky (USA) unter dem Abt Thomas Merton; 1961-1965 studierte er Theologie in Guernavaca (Mexiko) und La Ceja/Medellin (Kolumbien). Hier entstanden die Psalmen, die bis heute zu den wichtigsten Werken Cardenals zählen. Nach seiner Priesterweihe in Managua 1965 kam Cardenal  mit William Agudelo und Carlos Alberto 1966 nach Solentiname, um eine christliche Kommune zu gründen. In dieser weltberühmt gewordenen Gemeinschaft aus 38 Inseln im Großen See von Nicaragua entstand sein „Evangelium der Bauern von Solentiname“. 1970-1971 unternahm Cardenal Reisen nach Cuba, Peru und Chile, 1973 in die BRD und die USA. Mit dem Beginn der Revolution im Oktober 1977 ging Cardenal ins Exil und wurde Sprecher der FSLN, der Sandinistischen Befreiungsfront Nicaraguas. 1979, nach dem Sieg über Somoza, wurde er Kulturminister des Landes und initiierte eine umfassende Alphabetisierungskampagne. 1980 erhielt er den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. 1985 wurde er von Papast Johannes Paul II wegen seiner politischen Tätigkeit in der FSLN von seinem Amt als katholischer Priester suspendiert. Zusammen mit Dietmar Schönherr gründete Cardenal 1988 das internationale Kultur- und Entwicklungsprojekt Casa de los tres mundos in Granada. Im Jahr 1989 veröffentlichte er sein Opus magnum Cántico Cósmico (Gesänge des Universums). Am 24.10.1994 gab er seinen Austritt aus der FSLN bekannt. Mit Sergio Ramirez und Gioconda Belli gehörte er zu den Gründern einer neuen Partei, die mehr innerparteiliche Demokratie einforderte. Ernesto Cardenal lebt heute als Schriftsteller in Managua.