Von Hitler bis Bolsonaro…

…so ist ein Beitrag von Marcos Roitman Rosenmann betitelt, welcher sich oft gefragt hat, wie es möglich war, dass die Nazi-Partei bei den Wahlen triumphierte. Denn über soziologische Erklärungen, historische Analysen oder die internationale Situation hinaus ist es schwierig zu verstehen, warum sich die Bürger von fremdenfeindlichen, rassistischen Diskursen auf der Grundlage von Hass, Kriminalität und Missachtung der Menschenrechte mitreißen lassen. Brasilien ist heute ein Beispiel dafür, wie der Aufstieg Hitlers durch seinesgleichen Jair Bolsonaro zu verstehen ist.

Überraschenderweise wurde Bolsonaro, ein ehemaliger Soldat, der aus der Armee vertrieben wurde, und Verteidiger der Diktatur, die das Land Brasilien zwischen 1964 und 1985 verwüstet hat, inmitten einer tiefen Legitimationskrise von mehr als 49 Millionen Menschen (46,03 %), als Handlanger der Banken, des transnationalen Kapitals und der landbesitzenden Oligarchie bei der Wahl am 07. Oktober gewählt. Unter seinen Wählern finden sich Fußballspieler wie Ronaldinho oder Rivaldo, Millionen von Frauen, Arbeitern, junge Menschen aus der Mittelklasse, Afroamerikanern, Außenseiter sowie Männern und Frauen der Dorfbewohner. Aber keine der genannten Gruppen wird durch die neoliberale und ultrakonservative Politik begünstigt, ganz im Gegenteil. Brasilien wird eine politische Rückbildung der Frauenrechte, der Arbeitsbedingungen, eine Kürzung der Bundeshaushalte für Bildung, Gesundheit oder Sozialleistungen, eine Zunahme der Armut, Militarisierung und einen Verlust der Kaufkraft der Arbeiterklasse erleben. Fast 50 Millionen Brasilianer haben sich also freiwillig das Seil um den Hals gelegt, ähnlich wie bei der Wahl von Macri in Argentinien, so Roitman Rosenmann.

Bei diesen Wahlen, in diesem Kampf gegen die Korruption, die als das Hauptübel Brasiliens gilt, spielte die Universalkirche des Reiches Gottes, eine der größten Freikirchen Brasiliens, eine bedeutende Rolle. Edir Macedo, der sich Bischof nennt, unterstützte Bolsonaro, der ebenfalls dieser Kirche angehört. Seine Reden betonten die Bedingung, vom „Herrn“ gesandt zu sein, um die korrupte Seele zu reinigen und die Familie und die Moral zu verteidigen. Bolsonaro erschien zeitgleich mit den Anschuldigungen sexistischer, fremdenfeindlicher und rassistischer Menschen in den evangelischen Fernsehsendern und argumentierte, dass jene diese Anschuldigungen hervorbrächten, da sie ihm nicht vorwerfen könnten, korrupt zu sein. Der Verlust der kollektiven Identität und das Aufkommen eines autistischen Individualismus sind für Roitman Rosenmann die Keime des neuen Totalitarismus, den Bolsonaro vertritt, so dass die demokratische Unzufriedenheit in Lateinamerika alarmierend anwächst.

Im Jahr 2018 zeigt die Corporación Latinobarómetro, eine unabhängige private Non-Profit-Organisation mit Sitz in Providencia, Provinz Santiago, Chile, welche sozialwissenschaftliche Erhebungen in Lateinamerika durchführt und auch für die Veröffentlichung der Ergebnisse verantwortlich zeichnet, dass nur 53 Prozent der Bevölkerung für eine demokratische Regierung sind und es ihnen nichts ausmachen würde, in einer Diktatur zu leben, wenn ihre Sicherheit gewährleistet wäre. Für Roitman Rosenmann ist es bezeichnend, dass ehemalige Angehörige der Streitkräfte, meist Mitglieder der sozialliberalen Partei Bolsonaros, einen Sitz gewonnen haben, indem sie ihr Gefühl von Ordnung und Unterdrückung bekundeten, und er glaubt, dass die extreme Rechte kommt, wie in Deutschland 1933, um den Kapitalismus zu retten.

Das von Roitman Rosenmann am Ende seines Kommentares angeführte angebliche Zitat von José Saramago stammt allerdings nicht von dem Nobelpreisträger für Literatur:

Die Faschisten der Zukunft werden nicht das Stereotyp von Hitler oder Mussolini haben. Sie werden keine harten militärischen Gesten machen. Es werden Männer sein, die über alles reden, was die meisten Leute hören wollen. Über Güte, Familie, gute Bräuche, Religion und Ethik. In dieser Stunde wird der neue Dämon auftauchen, und nur wenige werden erkennen, dass sich die Geschichte wiederholt

So zumindest reagiert die José Saramago Stiftung, seitdem dieses angebliche Zitat immer wieder im Internet auftaucht: