Isabel Allende: Das Siegel der Tage

Bild: Suhrkamp Verlag

Mit Wärme, Humor und ihrem handfesten Sinn dafür, wie sich dem Leben in all seinen Formen begegnen lässt, erzählt Isabel Allende in Das Siegel der Tage (span. La suma de los días) von den schwierigen Zeiten nach dem Verlust ihrer Tochter Paula und von den erfüllten Tagen im Zentrum einer überaus farbigen Großfamilie. »Hör mir zu, Paula, ich werde dir eine Geschichte erzählen«, so begann Isabel Allendes bislang persönlichstes Buch, ihr Lebensroman Paula. Der geliebten, viel zu früh gestorbenen Tochter erzählt die Autorin nun im Geiste davon, was sich danach in ihrem Leben ereignet hat und wie ihr offenes Haus in Kalifornien mit den Jahren zum Mittelpunkt nicht nur ihrer eigenen Familie, sondern eines ganzen Clans aus angeheirateten Verwandten, neuen und alten Freunden wurde: eine Familie wie aus einem Roman. »Ich will dir erzählen, was aus uns geworden ist, nachdem du fort warst.« Mit diesen Worten richtet sich Isabel Allende in Das Siegel der Tage an ihre verstorbene Tochter Paula. Heitere, traurige, oft unglaubliche und doch immer tröstliche Geschichten, die sich nach dem schmerzhaften Verlust ihrer Tochter im Kreise des Allende-Clans zugetragen haben.

Neben dem warmen Unterstrom des mal komischen, mal traurigen oder dramatischen Treibens liest sich die Geschichte einer Liebe zwischen einer reifen Frau und einem reifen Mann, die alle Stromschnellen und Untiefen gemeinsam gemeistert und ihre Zuneigung zueinander lebendig zu halten gewusst haben. Aber auch ihre Tätigkeit als Schriftstellerin kommt nicht zu kurz: So erwähnt Isabel Allende in einem Kapitel („Im Fluge der Feder über das Papier“) unter anderem ihren Roman Von Liebe und Schatten. Die auf wahren Ereignissen basierende politische Geschichte erzählt von 15 Campesinos, die vom Militär verhaftet wurden und verschwanden. Hier findet sich das Konzept des gewaltsamen Verschwindenlassens, welches zur Zeit der Entstehung des Romans noch nicht in der Form anerkannt war, wie es das heute mit der Interamerikanischen Konvention gegen das „Verschwindenlassen“ von Personen aus dem Jahr 1994 Anerkennung findet. „Aber im Kern ist es ein Liebesroman“, so die Autorin selbst. Auch erwähnt sie ihren Roman Fortunas Tochter, die bewegte Geschichte der Eliza Sommers, einer lebenshungrigen jungen Frau, die zwischen zwei Kulturen lebt und einen abenteuerlichen Weg geht. Als chilenisches Findelkind in der Obhut einer englischen Familie aufgewachsen, bricht sie, kaum 17-jährig, aus ihrer wohlbehüteten Welt aus und stürzt sich auf der Suche nach ihrem Geliebten in die Wirren des kalifornischen Goldrauschs. Nach Ansicht einiger Kritiker spiegeln sich in diesem Roman feministische Ideen wider, da Eliza völlig unvorbereitet auf eine Männerwelt trifft, in der sie nur bestehen kann, indem sie in die Rolle eines Mannes schlüpft. Und für die Autorin ist die feministische Deutung berechtigt, weil sich darin ihre Überzeugungen ausdrücken und ihr Verlangen nach Unabhängigkeit, das nach eigener Aussage für ihr Leben entscheidend gewesen ist.