Ana Emilia Felker: Pantano

Pantano ist ein essayistischer Roman, in dem Ana Emilia Felker anhand von Chroniken und persönlichen Tagebüchern über Migration, Rassismus und Identität nachdenkt. Die mexikanische Autorin lebt zum dritten Mal in den Vereinigten Staaten von Amerika – dieses Mal, um zu promovieren – und versucht, das Land jenseits ihrer eigenen Vorurteile zu verstehen, denn es ist nicht nur die Nation des Kapitalismus und des Krieges, des Geldes und der Schulden, sondern auch das Herkunfts- und Aufenthaltsland der Hälfte ihrer eigenen Familie. Indem sie über Autobahnen reist und über das Schreiben sinniert, fragt sie sich inmitten der Gewalt, welche die Grenzen jenseits des Rio Bravo vervielfacht, was der amerikanische Traum ist, was es ausmacht, weiß zu sein, wie man über die massenhaften Schießereien sprechen kann, ohne den Diskurs des Hasses zu reproduzieren, während sie ihrem Großvater hilft, seine Geschichten zu ordnen, und versucht, die Beziehung zu ihrem Vater wiederherzustellen – zu einer Zeit, in der das Leben in den amerikanischen Vorstädten seine jugendlichen Überzeugungen zu begraben und die Gesundheit seines Gedächtnisses zu schmälern scheint.

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Isabel Allende: Das Siegel der Tage

Bild: Suhrkamp Verlag

Mit Wärme, Humor und ihrem handfesten Sinn dafür, wie sich dem Leben in all seinen Formen begegnen lässt, erzählt Isabel Allende in Das Siegel der Tage (span. La suma de los días) von den schwierigen Zeiten nach dem Verlust ihrer Tochter Paula und von den erfüllten Tagen im Zentrum einer überaus farbigen Großfamilie. »Hör mir zu, Paula, ich werde dir eine Geschichte erzählen«, so begann Isabel Allendes bislang persönlichstes Buch, ihr Lebensroman Paula. Der geliebten, viel zu früh gestorbenen Tochter erzählt die Autorin nun im Geiste davon, was sich danach in ihrem Leben ereignet hat und wie ihr offenes Haus in Kalifornien mit den Jahren zum Mittelpunkt nicht nur ihrer eigenen Familie, sondern eines ganzen Clans aus angeheirateten Verwandten, neuen und alten Freunden wurde: eine Familie wie aus einem Roman. »Ich will dir erzählen, was aus uns geworden ist, nachdem du fort warst.« Mit diesen Worten richtet sich Isabel Allende in Das Siegel der Tage an ihre verstorbene Tochter Paula. Heitere, traurige, oft unglaubliche und doch immer tröstliche Geschichten, die sich nach dem schmerzhaften Verlust ihrer Tochter im Kreise des Allende-Clans zugetragen haben.

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Frida Kahlo und die Farben des Lebens

Bild: Aufbau Taschenbuch

Mexiko, 1925: Die siebzehnjährige Frida Kahlo will Ärztin werden, aber ein schrecklicher Busunfall macht diesen Traum zunichte. Dann begegnet sie Diego Rivera, dem Malergenie und Frauenhelden, und verliebt sich Hals über Kopft in ihn. Als er um ihre Hand bittet, sagt Frida sofort Ja. Mit ihm taucht sie in die Welt der Kunst ein, er ermutigt sie in ihrem Schaffen – und er betrügt sie. Frida ist tief verletzt. Diego kann nicht treu sein, außerdem scheint sich Fridas sehnlicher Wunsch nach einem Kind nicht zu erfüllen. Trotz aller Widerstände hält Frida an ihrem Ideal einer grenzenlosen Liebe und an ihrem selbstbestimmten Leben fest. Im Wissen, dass Glück nur geborgt ist, stürzt sie sich ins Leben. Sie entdeckt die Malerei für sich und erzählt in ihren Bildern ihre Träume. Die Pariser Surrealisten liegen ihr genauso zu Füßen wie Pablo Picasso und Leon Trotzki. Frida geht ihren eigenen Weg, ob sie mit ihren Bildern Erfolge feiert oder einen Schicksalsschlag hinnehmen muss – doch dann wird sie vor eine Entscheidung gestellt, bei der sie alles hinterfragen muss, woran sie bisher geglaubt hat. Mit ihrer Gradlinigkeit, ihrer bunten Kleidung und dem Maya-Schmuck schafft sie eine Aura und wird zu einer der berühmtesten Malerinnen unserer Zeit.

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Gustave Flaubert: Lehrjahre des Herzens

Bild: Winkler Weltliteratur Dünndruckausgabe / Artemis & Winkler

Seinen zweiten großen Roman Lehrjahre des Herzens (fr. L’ Éducation sentimentale), die „Geschichte eines jungen Mannes“, hielt Gustave Flaubert selbst für sein bestes Werk. Der Pariser Student Frédéric Moreau verliebt sich in die Frau des Kunsthändlers Arnoux. Nach einem erzwungenen kurzen Aufenthalt in seiner Heimat und einer unverhofften Erbschaft stürzt er sich lebenshungrig erneut in das politisch brodelnde Paris der 1840er Jahre und knüpft, nachdem Frau Arnoux ihn abgewiesen hat, verschiedene Liebesbeziehungen, scheitert hier aber ebenso wie bei ehrgeizigen politischen Ambitionen. Als Frau Arnoux ihm nach vielen Jahren in der Bretagne erneut begegnet, versäumt er die Chance der Erfüllung seiner Liebe.

Flaubert gestaltet in diesem Roman, dessen Hauptfigur autobiographische Züge trägt, das Leben eines für seine Generation typischen jungen Mannes, der, in der Napoleonischen Ära geboren, nach dem sozialen und politischen Umbruch der vierziger und fünfziger Jahre seinen Standort sucht. Den Autor interessiert nicht nur das private Geschehen, der Prozess einer Desillusionierung, der nur den Bodensatz bitterer Erinnerungen übrig lässt, sondern das Klima der historisch-politischen Szenerie. Die bis ins Detail genau Schilderung des gesellschaftlichen Zustands schockierte viele seiner Zeitgenossen im gleichen Maß, wie sie heute die Bewunderung der Leser findet. Eine neue Übersetzung erschien 2020 im Hanser Verlag unter dem Titel Lehrjahre der Männlichkeit.

Die Autorinnen der Gruppe 47

Bild: Kiepenheuer & Witsch

In ihrem neuen Buch erzählt Nicole Seifert die Geschichte der Gruppe 47 aus der Perspektive der Frauen. Sie zeigt die Gründe auf, weshalb die Autorinnen wie Gisela Elsner, Gabriele Wohmann, Barbara König (um nur einige zu nenen), zum Einen aus der Literaturgeschichte nahezu verschwunden sind, und wie zum Anderen diese Autorinnen von den männlichen Mitgliedern der Gruppe 47 wie Marcel Reich-Ranicki, Heinrich Böll, Hans Magnus Enzensberger, Martin Walser, und vielen weiteren mehr, gesehen wurden. Dabei macht sie deutlich, dass die Texte und literarischen Ansätze dieser Autorinnen immer nur zweitrangig behandelt wurden und auch die Historiker sich mehr für das äußerliche Erscheinungsbild als für die Werke der Schriftstellerinnen interessierten. Die Texte gerieten in den Hintergrund oder spielten oft gar keine Rolle mehr, da es immer nur um die Körper der Frauen ging. Hier spricht Seifert von der »imaginierten Weiblichkeit« und kommt zu dem Ergebnis, „dass die von Männern erdachten Monster-Narrative über weibliche Wesen unumwunden von der Angst vor der Frau erzählen“ (S. 263).

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Elena Garro – La reina de espadas

Quelle: Penguin Random House

Die Figur von Elena Garro (1916-1998) hat inzwischen die vereinfachende Dichotomie überwunden, die sie bisher dämonisierte oder zum perfekten Opfer machte. Dabei ist sie weder das eine noch das andere, sondern eine vielschichtige Frau, schillernd und voller Widersprüche. Die Biografien von Rafael Cabrera und Emiliano Ruiz Parra haben viel dazu beigetragen, mit der manichäischen Vorstellung aufzuräumen, die von Elena Garro bisher vorherrschte: Es gab diejenigen, die sie komplett verteufelten oder als verrückt abstempelten, um sie loszuwerden, oder diejenigen, die sie idealisierten und zu einer Märtyrerin machten. So zumindest sieht es Jazmina Barrera, Autorin von La reina de espadas, einer Biografie über die Romanautorin und Dramatikerin Elena Garro. Garro war eine äußerst mitteilsame Persönlichkeit, die neben Tanz und Theater vor allem Literatur in fast allen Genres verfasste, und Gedichte, Theaterstücke, Essays, Memoiren, Romane sowie Kurzerzählungen schrieb.

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El invencible verano de Liliana

Bild: The Pulitzer Prizes

Wenige Stunden, nachdem bekannt wurde, dass Cristina Rivera Garza für ihr Buch Liliana’s Invincible Summer (span. El invencible verano de Liliana) den Pulitzer-Preis 2024 in der Kategorie »Memoiren oder Autobiografie« gewonnen hat, forderte die Schriftstellerin die Staatsanwaltschaft von Mexiko-Stadt auf, das Verbrechen an ihrer jüngeren Schwester, das sich 1990 ereignete, sowie die zahlreichen Feminicide, die mexikanische Familien in den letzten Jahren beklagt haben, aufzuklären.

In leuchtender, poetischer Prosa erzählt Rivera Garza eine einzigartige und doch universell wirkende Geschichte: Liliana ist eine temperamentvolle, wundersam hoffnungsvolle junge Frau, die versucht, in einer Welt zu überleben, in der geschlechtsspezifische Gewalt zunehmend normalisiert wird. Rivera Garza zeichnet die Geschichte ihrer Schwester nach und schildert alles von Lilianas früher Romanze mit einem gut aussehenden, aber besitzergreifenden und jähzornigen Mann bis zu jenem berauschenden letzten Sommer im Jahr 1990, als sie mehr liebte, dachte und reiste als je zuvor. Mit ihren Fähigkeiten als gefeierte Wissenschaftlerin, Romanautorin und Dichterin sammelte und kuratierte Rivera Garza Beweise – geschriebene Briefe, Polizeiberichte, Schulhefte, Interviews mit Lilianas Angehörigen – um das Leben ihrer Schwester zu dokumentieren. In diesen bemerkenswerten und genreübergreifenden Memoiren setzt sie sich mit dem Trauma des Verlusts ihrer Schwester auseinander und untersucht, wie diese Tragödie sie bis heute prägt – und wofür sie kämpft.

Theaterstück „Schierzens Hanka”

Quelle: Augusto Veranstaltungskalender

Am Wochenende fand am Deutsch-Sorbischen Volkstheater in Bautzen die Uraufführung des Theaterstücks „Schierzens Hanka” statt. Das Schauspiel unter der Regie von Esther Undisz nach Motiven von Jurij Koch erzählt das Schicksal der 1918 als Jüdin geborenen Hanka, die als katholische Sorbin in Hórka aufwuchs. Hanka war von den antijüdischen Rasse-Gesetzen der Nationalsozialisten betroffen und wurde verfolgt. Nach einem Verhör durch die Gestapo im Jahre 1942 kehrte sie nicht mehr zurück, und keiner der vielen Dorfbewohner konnte etwas zu ihrem Verbleib sagen. Jurij Koch hat ihr Schicksal in den 1960er Jahren in einer sorbischen Novelle festgehalten, von der 2020 die deutsche Übersetzung erschienen ist. Im Theaterstück rekonstruiert Regisseurin Esther Undisz nun Hankas Lebensgeschichte anhand recherchierbarer Fakten in einem sehr gelungenen Theaterstück.

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Learning from a Monastic Musician

Bild: Tectum Verlag

Christiane Strothmann hat mit ihrem Buch Learning from a Monastic Musician. Masters of Chant and the Function of Ritual Music in th Tibetan Bön Tradition ihre Dissertation vorgelegt. Dieses Buch bietet nicht nur wertvolle musikethnologische Erkenntnisse über die Ritualmusik der tibetischen Yungdrung-Bön-Tradition. Es ist zugleich eine außergewöhnliche Fallstudie, in der Strothmann ihre langjährige Zusammenarbeit mit dem tibetischen Klostermusiker und Gelehrten Geshé Dawa Namgyal Kharnatsang im indischen Exilkloster Menri fesselnd schildert. Das Buch gibt Einblicke in die Funktionsweise der rituellen Melodien des Bön und enthält kultursensible, persönliche Schilderungen von Strothmanns Weg zur Entdeckung ihrer Methode des „Lesens von Ritual“, die sich aus der Aufforderung ihres Forschungspartners entwickelte, „einfach nur mal hinzuschauen“.

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Die Liebe in groben Zügen

Bild: Frankfurter Verlagsanstalt

Bei Bodo Kirchoff geht es in seinen Romanen eigentlich immer um Liebe: Um Liebe, Begehren und die Suche danach, aber auch um den Tod. Das, was dazwischen gehört, was ein Menschenleben ausmacht – Sehnsucht, Einsamkeit, Leid, Liebe oder die Suche danach – das alles lässt sich in seinen Texten lesen.

Viele seiner zahlreichen Romane beschäftigen sich mit der Organisation von Intimität, etwa der Roman „Eros und Asche“ über eine Freundschaft, der Roman „Wo das Meer beginnt“ als Paar- oder auch Liebesroman, und nicht zuletzt sein großartiges Meisterwerk „Die Liebe in groben Zügen„. Ein Roman unter anderem über „die unstillbare Sehnsucht nach Liebe: die einzige schwere Krankheit, mit der man alt werden kann, sogar gemeinsam. Und ihre Erfüllung? Ist alles und nichts, ein Ewig bis auf weiteres; Details pfeifen seit jeher schon die Spatzen vom Dach“.

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