Kanalprojekt spaltet ein Land

Kurz vor Weihnachten soll in Nicaragua der Startschuss für ein Projekt gegeben werden, mit dem gleichermaßen Hoffnung und Sorge verbunden sind.

Am 22. Dezember sollen die Bauarbeiten für den Nicaragua-Kanal beginnen. Aufgrund unzureichender Information sind viele Bürger verunsichert und wenden sich mit ihren Sorgen auch an die Kirche im Land. Dies gilt besonders für die drei Diözesen, durch deren Territorien der Kanal gebaut wird. Vor allem Umweltschützer gehen gegen das Projekt auf die Barrikaden.

Bürgeranhörungen und Informationsveranstaltungen hat es kaum gegeben. Das habe Misstrauen und Unsicherheit auch in breiten Bevölkerungskreisen bewirkt, vor allem bei den Menschen, die von Grundstücksenteignungen betroffen sein könnten, sagte der Generalsekretär der Nicaraguanischen Bischofskonferenz, Granadas Bischof Jorge Solorzano Perez. Viele Nicaraguaner befürchteten zudem einen Ausverkauf an ein multinationales Unternehmen, weil unklar sei, welchen Interessen dieses aus China mit umgerechnet rund 40 Milliarden Euro finanzierte Großprojekt tatsächlich diene, erklärte er der Tageszeitung „La Prensa“.

Erwartungen

Der Nicaragua-Kanal soll das kleine zentralamerikanische Land von der Mündung des Rio Punta Gorda im Westen bis zur Mündung des Rio Brito im Osten durchqueren und Atlantik und Pazifik miteinander verbinden. Die Bauarbeiten sollen fünf bis sechs Jahre dauern. Von dieser Konkurrenz zum 1914 im Nachbarland eröffneten Panamakanal verspricht sich die sandinistische Regierung von Präsident Daniel Ortega wirtschaftlichen Aufschwung für die eigene Nation.

Doch viele Menschen in der betroffenen Region fürchten um ihre Existenz. Für den Fall, dass es hier zu Konflikten und Unregelmäßigkeiten bei der Entschädigung für Enteignungen kommen sollte, haben die Bischöfe ihre Unterstützung zugesagt. Die Kirche stehe an der Seite der Armen, betonte Bischof Solorzano.

Bewohner zahlreicher Gemeinden, die bereits wissen, dass sie im Rahmen des Bauprojekts (zwangs-)umgesiedelt werden sollen, haben bereits in Managua für ihre Interessen demonstriert und sich auch an die Kirche mit der Bitte um Unterstützung ihrer Anliegen gewandt. Ein Sprecher der Demonstranten erklärte, Ziel des Treffens mit Weihbischof Silvio Jose Baez Ortega sei es gewesen, die Sorgen der Menschen vorzutragen und den Beistand der Kirche zu erbitten.

An der Seite der Armen

Dabei sind Nicaraguas Bischöfe nicht grundsätzlich gegen den Kanalbau. Die Kirche, so erklären sie, werde sich hinter das Projekt stellen, wenn gewährleistet werde, dass es der Fortentwicklung des Landes und der entschiedenen Armutsbekämpfung diene.

In der Gesellschaft stehen sich zwei Interessengruppen gegenüber: Die einen befürworten den Kanalbau, weil sie sich davon wirtschaftlichen Aufschwung für Nicaragua versprechen. Die anderen lehnen das Vorhaben ab, weil sie davon ausgehen, dass die möglichen Vorteile doch wieder nur einer kleinen Bevölkerungsschicht zugute kommen werden.

Quelle: Blickpunkt Lateinamerika