Über mehr als drei Jahrzehnte hat Bolívar Echeverría (* 1941 in Robamba, Ecuador, † 2010 in Mexiko-Stadt, Mexiko) eine Vielzahl von Essays verfasst. Um einen möglichst umfassenden Einblick in sein Denken zu geben, wurden für den Band Für eine alternative Moderne. Studien zu Krise, Kultur und Mestizaje, Herausgegeben von David Graaff, Javier Sigüenza und Lukas Böckmann zehn Texte ausgewählt, die philosophisch und konzeptuell eng miteinander verschlungen sind, sich aber unter verschiedenen Topoi zusammenfassen lassen. In Ecuador geboren und im Deutschland der 1960er Jahre philosophisch inspiriert, entwickelte Echeverría sich zu einem der bedeutendsten zeitgenössischen Philosophen Lateinamerikas und prägte mehrere Intellektuellen-Generationen. Noch heute werden seine Arbeiten nicht nur in der akademischen Welt diskutiert, um sie auf die großen Probleme unserer Zeit anzuwenden und in politisch-emanzipatorischer Praxis konkret umzusetzen.
Im Zentrum der theoretischen Produktion von Bolívar Echeverría steht die Krise der modernen Zivilisation, eine Krise, die er nicht als etwas der kapitalistischen Form der Moderne Zufälliges, sondern als einen ihr strukturell inhärenten Widerspruch sah. Beim Dialog zwischen kritischen Gesellschaftstheorien in Europa und Lateinamerika ist Echeverría somit eine Schlüsselfigur. In seinen Studien entwarf er Thesen zum kritischen Verständnis der kapitalistischen Moderne und ihrer besonderen Verwirklichung in Lateinamerika. Hierbei gehen die Essays im 1. Teil des Bandes auf die Aktualisierung einiger Thesen und grundlegender Probleme ein, die durch die Kritik der politischen Ökonomie von Karl Marx eröffnet wurden, sowie auf die Kritik der kapitalistischen Form der Moderne. Auf dem Forschungsfeld der Kulturtheorie erarbeitete er in den Essays im 2. Teil sein kritisch-materialistisches Kulturverständnis, und liefert im 3. Teil eine eigene Interpretation des lateinamerikanischen Barock sowie eine kritisch-materialistische Betrachtung des Konzepts »Mestizaje« zur Beschreibung und Untersuchung (post) kolonialer Gesellschaften.