
Das Buch von Paz Rojas Baeza mit dem Titel Recordar. Violación de derechos humanos: una mirada médica, psicológica y política (dt. Erinnern. Verletzung der Menschenrechte: Eine medizinische, psychologische und politische Sicht) kann, sowohl in Bezug auf die dunklen Zeiten der Diktatur als auch auf die Zeit nach der Diktatur, als eine Geschichte über die Arbeit für Menschenrechte in Chile angesehen werden. Die Autorin der in diesem Band versammelten außergewöhnlichen Beiträge ist Ärztin und Menschenrechtsaktivistin. Die wichtigsten Themen werden hier nicht nur vorgestellt, sondern auch eingehend analysiert und diskutiert. Wie sie im Titel betont, handelt es sich um „Verletzung der Menschenrechte: Eine medizinische, psychologische und politische Sicht“, wobei sie stets den Blick dafür behält, was getan werden kann und sollte. Noch wichtiger ist allerdings, dass sich die Texte nicht nur auf Ereignisse beziehen, die zur Geschichte beigetragen und diese geprägt haben. Es gibt mehrere Beispiele, aber der Beitrag von Paz Rojas Baeza über Augusto Pinochet war ausschlaggebend dafür, dass er in London verhaftet und dann nach einem langen Prozess an Chile ausgeliefert wurde, trotz der ganzen Anstregungen, ihn in Spanien vor Gericht zu stellen.
Die internationalen Bemühungen um Gerechtigkeit verdanken Paz Rojas Baeza sehr viel. Ihre klare Position zur Straflosigkeit als Bedrohung für den Einzelnen und die Gesellschaft kommt in Kapitel 5 deutlich zum Ausdruck. Eingehende Studien über Folter, wie sie systematisiert und dokumentiert wurde, wie sie sich auf die Gefolterten und die Folterer auswirkte, wurden in mehreren damals verbotenen Büchern veröffentlicht und werden in Kapitel 2 wiedergegeben. Ihre Arbeit über das Verschwindenlassen von Personen als Fortsetzung von Folter und extremer Grausamkeit, die in Kapitel 3 vorgestellt wird, hat vielen die Augen geöffnet und zweifellos die Entwicklung von Menschenrechtsstandards in Bezug auf das gewaltsame Verschwindenlassen beeinflusst. Eines ihrer herausragendsten Vermächtnisse ist vielleicht mit ihrer mutigen Initiative verbunden, Augusto Pinochet vor Gericht zu stellen. Besonders wichtig ist dabei ihr Engagement für die spanische Justiz, indem sie die für den Prozess notwendigen Fakten lieferte. Dies wird in ihrem Kommentar zum Buch Tarde pero llega: Pinochet ante la justicia española (dt. etwa Spät, aber dennoch: Pinochet muss sich der spanischen Justiz stellen) beschrieben, welcher in Kapitel 6 enthalten ist.
Die Botschaft von Paz Rojas Baeza ist wichtiger denn je. Wir leben in einer Zeit, in der die Achtung der Menschenrechte von vielen verschiedenen Seiten bedroht ist. Die demokratischen Prozesse in Chile wurden 1973 brutal abgebrochen. Heute sehen wir, dass die Menschenrechte in verschiedenen Teilen der Welt in Frage gestellt werden. Autoritäre, diskriminierende und unterdrückerische Kräfte scheinen heute mehr Raum zu haben als in den vergangenen Jahrzehnten. Das absolute Verbot der Folter droht zu verschwinden. Erinnern fordert uns auf, nach vorne zu schauen, für Rechte und Würde zu kämpfen und niemals aufzugeben.