Arbeit, Erholung und Vergnügen

Am Tag nach dem angeblich „historisch wichtigen Treffen“ zur Lage der Corona-Pandemie im Kanzleramt, wurde der Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann, im ZDF Mittagsmagazin vom 15.10.2020 (ab Minute 10:08) über die Aufhebung des Beherbergungsverbots befragt. Nach ihm müssen die Regeln beim Beherbergungsverbot für Geschäfts- und Dienstreisende insgesamt aufgehoben werden, zumal ja auch der Verwaltungsgerichtshof Mannheim gerade entschieden hatte, dass diese Regel unverhältnismäßig ist und deshalb ein solches Verbot nicht mehr umgesetzt werden kann. Dann könnten – gegen den Willen von Kretschmann – private Urlauber auch wieder nach Baden-Württemberg reisen, da wir in einem Rechtsstaat leben, in dem die Judikative (die „richterliche Gewalt“ im Staat, ausgehend von der klassischen dreigliedrigen Gewaltenteilung in Legislative, Exekutive und rechtsprechende Gewalt) das letzte Wort hat, nicht die Exekutive, so seine Erklärung.

Daraufhin folgt die Frage von Daniel Pontzen (ZDF): „Und warum hatten Sie dann die Unterscheidung gemacht zwischen Berufstätigen und Urlaubern?“

Und die bedeutsame Antwort von Kretschmann lautet: „Berufstätige […] sind für die Kernbereiche der Wirtschaft und des gesellschaftlichen Lebens notwendig, dagegen Reisen dienen ja eher dem Vergnügen und der Erholung. Das ist also nicht so wichtig wie zu Arbeiten oder zu seinem Dienst zu fahren. Das ist der Grund für die Unterscheidung […].“

Arbeiten ist also wichtiger als Erholung? Kretschmann zielt damit auf den erwerbszentrierten Sozialstaat ab, der nicht erst seit der Einführung von Hartz IV besteht. Er stellt also die Arbeit hier ganz klar vor den Menschen und sein Recht auf gesundheitliche Unversehrtheit, in dem er als Mitglieder der Partei Bündnis 90/Die Grünen der Wirtschaft den Vorrang vor den Menschen gibt. Damit reiht er sich in die Gruppe der Menschen ein, die für die Erwerbsverpflichtung argumentieren, obwohl im „Sozialstaat heutiger Strickart […] nicht die Menschenwürde im Zentrum [steht], schon gar nicht als solche, sie bleibt stets geknüpft an die Erwerbsverpflichtung.