Die Autorinnen der Gruppe 47

Bild: Kiepenheuer & Witsch

In ihrem neuen Buch erzählt Nicole Seifert die Geschichte der Gruppe 47 aus der Perspektive der Frauen. Sie zeigt die Gründe auf, weshalb die Autorinnen wie Gisela Elsner, Gabriele Wohmann, Barbara König (um nur einige zu nenen), zum Einen aus der Literaturgeschichte nahezu verschwunden sind, und wie zum Anderen diese Autorinnen von den männlichen Mitgliedern der Gruppe 47 wie Marcel Reich-Ranicki, Heinrich Böll, Hans Magnus Enzensberger, Martin Walser, und vielen weiteren mehr, gesehen wurden. Dabei macht sie deutlich, dass die Texte und literarischen Ansätze dieser Autorinnen immer nur zweitrangig behandelt wurden und auch die Historiker sich mehr für das äußerliche Erscheinungsbild als für die Werke der Schriftstellerinnen interessierten. Die Texte gerieten in den Hintergrund oder spielten oft gar keine Rolle mehr, da es immer nur um die Körper der Frauen ging. Hier spricht Seifert von der »imaginierten Weiblichkeit« und kommt zu dem Ergebnis, „dass die von Männern erdachten Monster-Narrative über weibliche Wesen unumwunden von der Angst vor der Frau erzählen“ (S. 263).

Das Buch zeigt die Teilnehmerinnen der einzelnen Treffen der Gruppe 47 auf, die von Hans Werner Richter eingeladen waren. Dabei geht Nicole Seifert ebenfalls kurz auf die Autorinnen ein und ordnet deren Texte, die bei diesen jährlichen Treffen gelesen wurden, in die entsprechende Zeit- und Literaturgeschichte ein. Aber auch die Erfahrungen der einzelnen Teilnehmerinnen kommen hier nicht zu kurz, womit Seifert einen ganz neuen Blick auf die Gruppe 47 und die Nachkriegsliteratur bietet. Das ganze Ausmaß, in dem das Bild der Autorinnen verzerrt wurde, und in dem so viele von ihnen aus der Geschichte der Gruppe 47 gestrichen wurden, wird erst heute mit dem Fokus des Feminismus „auf strukturellen gesellschaftlichen Zusammenhängen und der Fragwürdigkeit tradierter Geschlechterkonstrukte“ (S. 266) deutlich. Erst wenn man bei der Betrachtung dieser Geschichte die Erkenntnisse der Geschichts- und Sozialforschung der letzten Jahrzehnte hinzuzieht, wird das ganze Ausmaß deutlich. Die Texte dieser Autorinnen zeugen von der Reflektion über die Gewalt der Systeme und zeigen das Fortbestehen narzistischer Strukturen in gesellschaftlichen Institutionen wie der Ehe auf. „Sie schrieben über die tatsächlichen Opfer des Nationalsozialismus und fanden nach den Kriegsjahren eindringliche Bilder für eine durch Brutalität traumatisierte Psyche“ (S. 270). Themen wie „Mutterschaft, Familie, weiblicher Alltag und eine realistische Darstellung des weiblichen Körpers“ (ebda.) fanden mit diesen Autorinnen Eingang in die Literatur, allerdings blieb eine inhaltliche Auseinandersetzung mit diesen Themen in der Gruppe 47 aus. Damit kommt Seifert zu dem Schluß, dass die „Autorinnen […] ihrer Zeit und ihren Kritikern inhaltlich wie ästhetisch voraus“ (S. 272) waren, da diese Schriftstellerinnen „mit ihrer scharfen Beobachtungsgabe, ihrer Sensibilität, ihrem Mut und ihrer kritischen Intelligenz“ (ebda.) brillierten.