Gerüche bei Nabokov

„Um jene Zeit reiften die letzten wilden Himbeeren regenfeucht und süß in den Gräben. Maschenka war ganz versessen darauf, und überhaupt lutschte sie eigentlich immerfort irgend etwas – einen Grashalm, ein Blatt, einen Fruchtbonbon. Ihre Landrin-Karamellen trug sie lose in der Tasche, wo sie Klümpchen bildeten und sich mit Krümeln und Wollfasern verklebten. Sie benutzte ein billiges, süßliches Parfüm, das «Tagore» hieß. Diesen Duft, vermischt mit den frischen Gerüchen des herbstlichen Parks, versuchte Ganin jetzt noch einmal einzufangen; aber wir wissen ja, unser Gedächtnis kann fast alles wiedererstehen lassen, nur Gerüche nicht, obwohl die Vergangenheit durch nichts so vollkommen wieder auflebt wie durch einen Geruch, der einst mit ihr verbunden war.“

Dieser Ausschnitt, der die Macht der Gerüche für unsere Erinnerung zeigt, wurde von Vladimir Nabokov in seinem bereits 1925 in Berlin entstandenen Roman Maschenka geschrieben und stammt in der hier vorliegenden Fassung aus dem gleichnamigen Roman der deutschen Fassung, die 1976 bei Rowohlt erschien. Der deutschen Fassung wiederum liegt auf Wunsch des Autors die von Michael Glenny in Zusammenarbeit mit dem Autor aus dem Russischen übersetzte englische Fassung zugrunde, die erstmals 1970 unter dem Titel «Mary» bei der MacGraw-Hill Book Company, New York und Toronto, erschien.

Vladimir Nabokov wurde am 23. April 1899 in St. Petersburg geboren. Nach der Oktober-Revolution emigrierte er mit seinen Angehörigen und studierte bis 1923 in Cambridge Slawistik, Romanistik und Entomologie. Von 1923 bis 1937 lebte er in Berlin, später in Paris, und schrieb in russischer Sprache Gedichte, Essays und erzählerische Prosatexte. 1940 ging Nabokov in die USA. Hier schrieb er Erzählungen und zahlreiche lepidopterologische Arbeiten – er war ein in Fachkreisen hochangesehener Schmetterlingsforscher. Am 2. Juli 1977 starb Nabokov in Montreux (Schweiz), wo er seine letzten achtzehn Lebensjahre verbracht hatte.