In seinem essayistischen Roman Ich – ein anderer wendet sich Imre Kertész ganz existenziellen Fragen zu. Erschienen als Sachbuch im Rowohlt Verlag, schreibt der Verlag in seiner Ankündigung: „In Reisebildern aus Tel Aviv, Berlin, Leipzig und Wien, in Momenten aus Erinnerungen einer fast entrückten Kindheit, in erzählten und geträumten Geschichten, in Wahrnehmungen, die ins traumatisch Visionäre oder in die glückhafte Epiphanie umkippen, hält Imre Kertész einen existentiellen Epochenwechsel fest – erfahrungsbereit, erschüttert, ungläubig.“ Schreiben bedeutet für Kertész, für diejenigen, die noch an der Wahrheit interessiert sind, Zeugnis ablegen – so zumindest sieht es Erdmute Klein in ihrer Rezension beim Deutschlandfunk. Und weiter: „Zeugnis auch des großen Traumas Auschwitz, das der Autor als 15jähriger erlitt und in seinem berühmt gewordenen „Roman eines Schicksallosen“ auf unvergeßliche Weise gestaltete.“ Dieser Roman eines Schicksallosen, genauso wie sein Buch Fiasko, sind die einzigen, die nach seinen eigenen Angaben sein „Sündenregister“ belasten (S. 25). „Vielleicht halten wir das Leben nur aus, weil es so unwahrscheinlich ist; andererseits rührt das Denken ständig an die sogenannte Wirklichkeit, sehnt sich nach Wirklichkeit“ (S. 35).
Manchmal tauchen bei Kertész „die (unbeantwortbaren) Fragen auf: Wer, was bin ich, und welches ist meine besondere Geschichte?“ (S. 25). Aber er sieht auch: „Wer die Probleme als das nimmt, was sie sind (das heißt si erkennt), muß von ihrer Lösung absehen; das Problem liegt nicht in den Problemen, sondern außerhalb“ (S. 50). Ich – ein anderer ist ein Buch, das uns alle angeht. Es ist die Geschichte einer inneren Befreiung eines hoch gebildeten Menschen auf der Suche nach Wahrheit, der sich und uns auffordert: „Lebe so, als ob jeder deiner Schritte von Segen begleitet wäre“ (S. 92). Denn die Frage, die am Ende der Englischen Flagge steht, ist existenziell: „«Wer sieht durch uns?» Denn wir müssen so denken, das heißt auch leben, als sähe einer – nicht uns, nicht mit unseren Augen, sondern durch unser Leben“ (S. 73).