Laura Restrepo: Vorreiterrolle Lateinamerikas

Bild: Alfaguara

Auf der Internationalen Buchmesse (FIL) in Guadalajara fand diese Woche ein Interview mit der Schriftstellerin Laura Restrepo (Bogotá, 1950) statt, auf der sie ihren neuesten Roman Canción de antiguos amantes vorstellt, Bücher signiert und an einer Hommage für José Saramago teilnimmt.

Die Autorin ist zuversichtlich, dass sich Lateinamerika mit der neuen geopolitischen Landkarte der Region als Vorreiter etablieren wird, um als Alternative einer Welt zu fungieren, deren Aussichten sie ansonsten als fast apokalyptisch betrachtet. Lateinamerikaner denken, im Guten wie im Schlechten, die einen mehr, die anderen weniger, weiter über das soziale Problem nach, darüber, dass die Armut bekämpft werden muss, dass die Würde verteidigt werden muss. Europa ist von der Invasion in der Ukraine sehr betroffen, weil es das Gefühl hat, man sei in sein Territorium eingedrungen. „Kein Volk darf überfallen werden, aber von dort zu dieser Art von Heldentum der NATO als großer Verteidiger des Planeten ist es ein sehr großer Sprung“, sagt die kolumbianische Schriftstellerin am Rande der Buchmesse in Guadalajara. Sie hinterfragt den kriegerischen Aufruhr in einem Kontinent wie Europa, wo man anscheinend zum Krieg aufruft, „bis der letzte Ukrainer stirbt“, anstatt einen Geist des Friedens und des Dialogs zu suchen. Stattdessen würden die Länder die Gelegenheit nutzten und wie verrückt aufrüsten. Wobei das Waffengeschäft, das hinter dem Krieg steht, in den europäischen Medien nicht thematisiert wird, so die Autorin.

Als lebenslange Aktivistin der Linken hofft Restrepo, dass es in Lateinamerika jetzt Regierungen gibt, die gelernt haben, pragmatisch zu sein, obwohl es immer noch Beispiele für revolutionäre Perversionen gibt, wie beispielsweise in Nicaragua. Das, was in Lateinamerika geschehe, stehe im Widerspruch zu dem, was im Rest der Welt geschieht, denn die Rechte gewinne an barbarischer Stärke. In Italien sei die extreme Rechte bereits auf dem Vormarsch, ohne dass es irgend jemanden beunruhige; niemand sage, dass der Faschismus komme, und diejenigen, die das sagen würden, gehörten nicht zu der offiziellen Stimme. Sie verstehe nicht, warum Joe Biden alles geglaubt würde, warum man ihm die Führung der Weltpolitik überließe, nachdem die Vereinigten Staaten in Syrien und Afghanistan so viele Gräueltaten begangen hätten.

Man kann sehen, wie leidenschaftlich sie bei der Sache ist, wenn sie losdonnert: „Wo die Vereinigten Staaten sich einmischen, richten sie ein Gemetzel an und gehen wieder weg und hinterlassen nur Trümmer. Warum unterstützt Europa das? Es herrscht eine allgemeine Panik vor Russland. Glauben die wirklich, dass Russland in Europa einmarschieren wird?“ Zum jetzigen Zeitpunkt sei sie immer noch davon überzeugt, dass der Marxismus ein Leitfaden für das Denken und die Arbeit vor Ort sei. Nicht in einer dogmatischen Weise, aber sie glaube immer noch an den Klassenkampf, dass die Analyse von dort ausgehen müsse, sonst würde man anfangen, alles falsch zu verstehen.