Nicaragua schmerzt – es gibt keine Unschuldigen

Die Protestbewegung in Nicaragua gegen die Regierung Ortegas reißt nicht ab und ruft Erinnerungen an die Aufstände gegen die Somoza-Diktatur vor über 40 Jahren hervor. Nach über 10 Jahren an der Macht wird der Sandinismus von vielen als eine religiös verbrämte autoritäre Herrschaft und als Mörder-Regime gesehen. Das brutale Vorgehen der Regierung bestürzt aber auch kritische Stimmen innerhalb des Sandinismus, die öffentlich allerdings nicht zu Wort kommen. Von offizieller Seite wird nach wie vor geleugnet, dass diese Verbrechen an den Protestlern stattfinden. Obwohl die heterogene Protestbewegung weder dem linken noch dem rechten Lager zuzuordnen ist und auch keine sichtbaren Anführer vorweist, die sich in diesem Protest hervortun, gilt es zunächst, eine Militarisierung des Konflikts zu verhindern. Ziel dieser Protestbewegung ist es, die lähmende Zeit ohne politische Freiheiten zu beenden und den Ortega-Clan zum Rückzug zu bewegen. Erst dann kann, wenn dieses unmittelbare Ziel errreicht ist, eine tragfähige, konstruktive politische Alternative entwickelt werden.

Mit dieser Einschätzung distanziert sich die Redaktion der Lateinamerika Nachrichten von anderen Mitteilungen und Einschätzungen der Lage, die die Gewalt der Regierung leugnen oder klein reden und somit die Propaganda der Regierung Ortegas unterstützen.

Ein Vergleich der Zustände mit denen Venezuelas ist laut NachDenkSeiten hier zulässig, da in beiden Konflikten die Beteiligten sich für die Gewalt als Mittel entschieden haben und eine Moderation von Seiten der Bischofskonferenz in beiden Ländern gescheitert ist. Auch wird der Widerstand gegen Präsident Ortega von der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) zur Potenzierung des Konflikts mit Venezuela genutzt, und der internationale mediale Mainstream hat bereits Partei ergriffen, indem er Ortega als den Schuldigen ausmacht. Allerdings gibt es für die Ursachen des Konflikts in Nicaragua mindestens zwei Narrative. Zum einen versuchen politische Akteure des Regime Change, die Protestbewegung für Destabilisierungszwecke zu nutzen. Zum anderen ist die Regierung von Ortega auch in dem Lager der traditionellen Sandinisten aus vielfältigen Gründen nicht mehr zumutbar.

Dennoch ist der Vergleich einer „Venezolanisierung“ der Zustände in Nicaragua nicht angebracht, da einmal die Voraussetzungen beim Ausbruch der Protestbewegungen sehr unterschiedlich waren und auch eine Einmischung von außen über die letzten Jahrzehnte in beiden Ländern mit ganz unterschiedlichen Zielen erfolgte.