In der Ausgabe aus dem Jahr 2000 von Les origines culturelles de la Révolution française erklärte Roger Chartier, dass es ein Merkmal revolutionärer Prozesse sei, eine Genealogie zu erfinden. Im französischen Fall war diese Genealogie die Aufklärung. Es scheint, dass es auch für das amerikanische und lateinamerikanische Volk der Fall war. Irgendwo müssen die Ideen herkommen, die die atlantischen Gesellschaften so dramatisch erschütterten wie Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts. Immer mehr Studien zeigen, dass diese Ideen gerade durch die Kontingenz aus bereits existierenden kulturellen Bedingungen heraus geformt wurden, wie Timothy Tackett in seinem Becoming a revolutionary oder Gordon S. Woods großartige Studien über die amerikanische Revolution. Aber die Versuchung, Einflüsse zu finden, die als aufklärerische Ursprünge der Unabhängigkeiten veranschaulicht werden, hält an, und es ist nicht schwer, sie auch zu finden.
Aufklärung in der Unabhängigkeit: eine erfundene Tradition (I)
Die These, dass die mexikanische Unabhängigkeit von den Ideen der Aufklärung und der Französischen Revolution inspiriert war, hat viele Jahrzehnte überdauert. Die Überprüfung der Beweise und neuere Studien bringen diese intellektuelle Genealogie allerdings in Verruf.
Die meisten Mexikaner wissen, dass Miguel Hidalgo ein aufgeklärter Mann war. Der Einfluss des französischen Gedankenguts und das Beispiel der Revolution von 1789 veranlassten ihn, die Waffen gegen den spanischen Absolutismus zu erheben. Dasselbe geschah mit den anderen Aufständischen, wie aus einigen seiner grundlegenden Dokumente hervorgeht, von den Sentimientos de la nación bis zur Verfassung von 1814. Und dies ist auch die vorherrschende Meinung, die im September 2019 in den Pressemitteilungen zum Gedenken an den Grito de Dolores zum Ausdruck kommt, obwohl sie von akademischer Seite seit mindestens drei Jahrzehnten ausgeschlossen wird.
Noch ein Pilotprojekt zum Grundeinkommen
Man mag von Pilotprojekten, Feldexperimenten und dergleichen, auch im Zusammenhang mit einem Bedingungslosen Grundeinkommen, halten, was man will, aber können sie nicht auch Ergebnisse liefern, die Entscheidungen für die Zukunft einer Gesellschaft zumindest beeinflussen können? „Wie sähe eine Gesellschaft mit Grundeinkommen aus? Könnte das Grundeinkommen helfen, die großen gesellschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit zu bewältigen?“ Diese Frage stellt sich (nicht nur) der Verein Mein Grundeinkommen, der es jetzt wissen will und deshalb das erste deutsche Pilotprojekt zum Grundeinkommen startet (hier der Link zur Teilnahme).
Das Pilotprojekt soll Grundlagenforschung zum Bedingungslosen Grundeinkommen liefern. „Im ersten Schritt werden die individuellen Effekte von 1.200 € zusätzlich pro Monat erforscht, um Indizien für die Wirkung auf die gesamte Gesellschaft zu sammeln. Die Effekte werden mit einer Vergleichsgruppe überprüft. In zwei weiteren Studien werden anschließend Grundlagen der Finanzierbarkeit getestet.“ Dabei handelt es sich um ein Forschungsprojekt des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung in Kooperation mit dem Verein Mein Grundeinkommen, dem Max-Planck-Institut zur Erforschung von Gemeinschaftsgütern und der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät an der Universität zu Köln.
Opera prima
Opera prima | edición personal ist ein innovativer Verlagsraum, der 1995 für unabhängige Romanautoren und die rastlosesten Leser geschaffen wurde. Die Initiative bedeutete eine radikale Veränderung in einem kristallisierten, starren und monopolisierten Markt. Dieser frische Wind im Verlagswesen hat die Verlagsszene in Spanien und auf der ganzen Welt erneuert und Türen geöffnet. Die Leser haben dabei entdeckt, dass neue Schriftsteller für die Erneuerung der Kultur und des Marktes unerlässlich sind. Seitdem ist alles anders: Ein unabhängiges Label wie dieses zu lesen, ist heute eine hoch geschätzte und weithin anerkannte Realität.

Jetzt hat Opera prima eine neue Gedichtesammlung (Día cero) herausgebracht, in der sich unter anderem auch ein kleines Gedicht von Melacio Castro Mendoza (Seite 81) finden lässt. Diese poetische Anthologie kann kostenlos heruntergeladen werden und richtet sich nicht nur an alle Künstler, die an Día Cero teilgenommen haben, sondern an alle Menschen, weil mit diesen Gedichten ein Raum der Reflexion durch den poetischen Diskurs geboten werden kann, der heute so notwendig ist, um sich der dringenden Herausforderung zu stellen, eine kritische, unterstützende, engagierte und respektvolle Gesellschaft mit der Natur, mit unseren Mitmenschen, mit allen Lebewesen und mit dem Planeten, der unsere Heimat ist, zu schaffen.
Ein Freund der Erde

Wir schreiben das Jahr 2025. Der Treibhauseffekt hat weltweit voll zugeschlagen, im Loiretal wird nicht mehr Wein, sondern Reis angebaut, die meisten Säugetiere sind ausgestorben, allein in Kalifornien leben rund 60 Millionen Menschen, und das Essen ist auch nicht mehr das, was es einmal war. Ty Tierwater, einst, in den 80er Jahren, militanter Ökoaktivist, kümmert sich als rüstiger und nur sexuell leicht frustrierter Fünfundsiebzigjähriger im Auftrag eines schwerreichen Popstars um ein paar verwahrloste Tiere, die zu den letzten ihrer Spezies gehören. Da taucht eines Tages seine Ex-Frau Andrea mit einem ganz besonderen Anliegen wieder bei ihm auf. – Boyle beschreibt in seinem neuen Roman eine Zukunft, die schon begonnen hat. Mit Sarkasmus und seinem unverwechselbaren Witz schildert er eine verwüstete, zerstörte Welt, in der noch immer ein Fünkchen Hoffnung keimt (vorderer Klappentext).
Friedensprozess für Wallmapu und den chilenischen Staat

Dass in den Provinzen Arauco, Malleco und einem Teil von Cautín, dass in La Araucanía und im Süden des Biobío, dass im Wallmapu ein Konflikt herrscht, ist für niemanden ein Geheimnis. Mehr oder weniger mit der bitteren Realität verbunden, wird dies schon in der Schule unterrichtet, egal in welcher Region man sich befindet. In den genannten Gebieten herrschen Diskriminierung und Angst, aber auch Verzweiflung aufgrund der Ineffizienz des Staates und der Armut. Nachrichten über Konfrontationen und Ereignisse der Ausgrenzung und Segregation sind an der Tagesordnung. Aber es gibt auch viele Geschichten der Zusammenarbeit, der Integration, der Entwicklung und der Träume von einem multikulturellen und friedlichen Territorium.
Was aber an diesem Wochenende in Curacautín, Victoria und Traiguén und allgemein in La Araucanía in den letzten Monaten geschieht, kann nur geschehen, wenn der chilenische Staat nicht oder zu spät kommt oder den Konflikt nur aus einer Perspektive angeht, anstatt eine umfassende Lösung zu suchen: Terrorismus, Kriminalität, Geld, Land, Drogenhandel oder Holzdiebstahl.
Außenansicht

Im Winter sieht man die Menschen nur sehr wenig auf den Straßen. Diejenigen, die sich abends zu den Aufführungen des Aalto-Theaters und der Philharmonie auf den Weg machen, und diejenigen, die im Sheraton Hotel übernachten, sind immer ganz in Eile. Die Mäntel, die Handschuhe, die Hüte und die Schals, die sie tragen, geben ihnen ein gespenstisches Aussehen. Ihre Blicke wirken verloren. Als Zeichen der Liebe gehen viele Paare Hand in Hand. Dennoch sehen sie blass aus, ihre Nasen rot, und sie wirken gestresst und irgendwie bitter. Diejenigen, denen es an Gesellschaft mangelt, scheinen am Rande eines Zusammenbruchs zu stehen. Inmitten einer solchen Atmosphäre hören die Kirchen, dunkle Überbleibsel einer bedrückenden, hinterbliebenen Vergangenheit, nie auf, nach ihren Schafen zu rufen. Das kirchliche Glaubensbekenntnis, immer bereit, zu diktieren und zu sanktionieren, wird aufrecht erhalten. Ihre Schafe, ernst bis ins Mark, ähneln in ihrer Verrückung den Kadavern der kommenden Morgendämmerung. Sie sind davon überzeugt, dass Gott, etwas absolut Abstraktes, die Welt erschaffen hat und an sich Liebe ist. Da sie der Liebe und einer gewissen Mystik bedürfen, ringen sie danach, sich mit Tugenden zu schmücken, die sie zumindest ihrer Gottheit ähneln lassen. Sehr üblich in Deutschland.
Himmel und Hölle
Jorge Luis Borges (* 1899 Buenos Aires, † 1986 Genf) und Adolfo Bioy Casares (* 1914 Buenos Aires, † 1999 Buenos Aires) haben 1959 gemeinsam eine Anthologie mit dem Titel El libro del cielo y del infierno (dt. Das Buch von Himmel und Hölle) herausgegeben. In dem kurzen Prolog, der das Buch einleitet, schreiben beide Autoren, dass sie „das Wesentliche gesucht“ haben, „ohne das Lebendige, das Traumhafte und das Paradoxe zu vernachlässigen“ – in der Hoffnung, dass diese Anthologie einen Einblick in die tausendjährige Entwicklung der Konzepte von Himmel und Hölle geben wird, angefangen bei Swedenborg mit seinen „Seelenzuständen“, von denen aus nicht mehr an Lohn- und Strafanstalt“ gedacht wird. Dies verleitet zu der Annahme, dass die Auswahl vielleicht keinen Einblick in die jahrtausendealte Entwicklung dieser Konzepte erlaubt, nicht nur, weil dies nicht ihr Ziel zu sein scheint und weil eine Anthologie wie diese notwendigerweise unvollkommen sein muss, sondern vor allem wegen der Form und des Sinns, in dem sie konzipiert ist. Abgesehen von der Tatsache, dass Borges sich selbst als Agnostiker oder Atheist bezeichnete und Bioy Casares dies ebenfalls eingestand, erfolgte das fragmentarische und willkürliche Zitieren heiliger und kanonischer Bücher nicht mit einem gelehrten historistischen, theologischen oder pädagogischen Eifer, sondern lediglich literarisch, als Beispiele für Manifestationen oder Formen fantastischer Literatur, die nach Geschmack und Laune ausgewählt und nicht weniger kapriziös, spielerisch und fragmentarisch präsentiert wurden.
Stiftung Preußischer Kulturbesitz
Eine der größten Kultureinrichtungen weltweit steht vor ihrer Zerschlagung. Ein Gutachten des Wissenschaftsrates empfiehlt, statt der Stiftung vier eigenständige Organisationen zu gründen – mit gravierenden Konsequenzen. Zu den Schätzen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) zählen unter anderem die Berliner Museumsinsel mit Pergamonaltar und Nofretete sowie die Staatsbibliothek. Nun droht ihr das Aus. Seit Jahren schon steht die Stiftung in der Kritik: Sie sei unübersichtlich, handlungsunfähig, ein irrwitziger Koloss aus Museen, Bibliotheken, Archiven und Führungsinstanzen.
Nach einem von Kulturstaatsministerin Monika Grütters in Auftrag gegebenem Gutachten empfiehlt der Wissenschaftsrat nun, vier eigenständige Organisationen zu gründen für Staatliche Museen (mit dem Institut für Musikforschung), die Staatsbibliothek, das Geheime Staatsarchiv und das Ibero-Amerikanische Institut. Dafür soll es jeweils eine unabhängige Leitung mit Personal- und Budgetverwaltung geben. Erwartet wird dadurch mehr Effizienz und Eigenständigkeit bei Schwerpunkten wie Forschung und Bildung.
Quelle: ZDF Aspekte
Enrique Serna: Premio Xavier Villaurrutia 2019
Enrique Serna gewinnt den Schriftstellerpreis Premio Xavier Villaurrutia 2019 und wird damit für seinen Roman „El vendedor de silencio“ ausgezeichnet. Die Jury, bestehend aus Marianne Toussaint, Felipe Garrido und Vicente Quirarte, hält fest, dass der Autor, wie schon in früheren Romanen, ein Werk geschrieben hat, in dem sich Fiktion und Geschichte abwechseln: „In diesem Fall entspricht das historische Thema einer Zeit, die der unseren sehr nahe ist und die sich in seinem Roman dank der Brillanz seines Erzähldiskurses, der Wahrhaftigkeit der Figuren und Situationen, der Schnelligkeit seiner Prosa und seiner Entschlossenheit, nichts dem Zufall zu überlassen und alle losen Enden zu verknüpfen, literarisch verändert hat. Serna verpflichtet den Leser, ihn bei jeder seiner Handlungen zu begleiten und sie mit ihm zu leben“, heißt es in der Veröffentlichung zu dem Urteil der Jury.