Anlässlich des bevorstehenden Todestages von George Orwell, der sich am 21. Januar 2022 zum 72. Mal jährt, lohnt sich ein Blick auf einen Vergleich der Übersetzungen seines Romans 1984. Julia Rosche hat schon vor einem Jahr für TraLaLit, dem Magazin für übersetzte Literatur, einen interessanten Beitrag verfasst, in welchem sie die Übersetzungen der verschiedenen Verlage aus dem Jahr 2021 der Übersetzung von Kurt Wagenseil (1950) und Michael Walter (1984) aus dem Ullstein Verlag gegenüberstellt. Nachdem das Werk von Orwell seit 2020 gemeinfrei ist und die Übersetzungsrechte nicht mehr beim Ullstein Verlag liegen, haben namhafte Verlage eine eigene Übersetzung herausgebracht.
In den gerade neu aufgelegten neuerlichen Übersetzungen haben sich die Übersetzer mit dem Wort „Newspeak“ nicht wirkliche Mühe gegeben und bleiben bis auf kleine Ausnahmen bei dem Wort „Neusprech“, was schon in der Übersetzung von Walter von dem Wort „Neusprache“ von Wagenseil abweicht. Auch die Wortspiele „Big Brother“ („Großer Bruder“), „Doublethink“ („Doppeldenk“ mit Ausnahme von Simone Fischer, die bei der alten Übersetzung von Kurt Wagenseil „Zwiedenken“ bleibt), „thinkpol“ („Gedankenpolizei“ mit Ausnahme von Frank Heibert, der mit „Denkpol“ hier abweicht) oder „goodthink“ als „Gutdenk“ lassen sich nicht wirklich gravierende Unterschiede finden.
Julia Rosche geht dann noch detailliert auf die Übersetzung der inzwischen auch im Deutschen gut bekannten Phrase „Big Brother is watching you“ ein und weist darauf hin, wie notwendig bei einer Übersetzung die Erkenntnis ist, dass Leser ohne ausreichende Sprachkenntnisse der Ausgangssprache natürlich genau deshalb einen Roman in der Übersetzung lesen und daher unübersetzte Stellen so gering wie möglich gehalten werden sollten. Rosche konstatiert: „Gravierende Unterscheidungen finden sich in diesen Übersetzungen nicht. Man könnte sich an Kleinigkeiten festbeißen […], aber diese gebieten keine besonderen Einblicke noch sagen sie besonders viel über die Gesamtqualität der Übersetzungen aus. Tatsächlich weisen die Übersetzungen mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede auf.“ Auf die Frage, welche Übersetzung man also am Besten lesen sollte, ist Rosche der Ansicht, dass es in diesem Fall keinen signifikanten Unterschied macht und auch die alte Ausgabe von Walter durchaus als gute und noch immer aktuelle Übersetzung herhalten kann: Eine sehr gelungene Analyse von Julia Rosche.