Die Poesie in und über Mexiko-Stadt, die so unermesslich ist wie die Stadt selbst, passt nicht mehr in eine Anthologie wie in der Vergangenheit. Jeden Tag gibt es jemanden, der die Stadt lobt, jemanden, der über sie weint, jemanden, der sie hasst. Sie zerstört sich selbst mit einer Leidenschaft, die aussieht wie Enthusiasmus und vielleicht nur Wahnsinn ist. Claudia Kerik hat es sich dennoch zur Aufgabe gemacht, das zu sammeln und zu erfassen, was die in ihr geborenen und die Dichter, die sie zu ihrer Wahlheimat erklärt haben, im langen 20. Jahrhundert gesungen, beklagt, geflüstert oder verwünscht haben, welches diskret zwei Jahrzehnte ins 19. und zwei weitere, stürmische und gefräßige, ins 21. Jahrhundert hineinreicht. La ciudad de los poemas: Muestrario poético de la Ciudad de México moderna versucht das Unmögliche und präsentiert sich als ein monumentales, fast brutales, unwiederholbares Mosaik dessen, was die Stadt, einst Tenochtitlan, die Dichter in einem stets modernen und sich entwickelnden Spanisch sagen ließ.
Es gibt viele Möglichkeiten, eine Stadt kennen zu lernen. Dieses Buch ist eine Einladung, dies über die Poesie zu tun, als geführte Lektüre durch die Gedichte, in denen die Geschichte der Hauptstadt von Mexiko festgehalten ist. Dabei wollte Claudia Kerik herausfinden, welche Bilder den Übergang von Mexiko-Stadt als fast ländlichem Raum – im 19. und noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts – zu einer modernen Metropole zeigen. Daher konzentrierte sie sich darauf, einen Korpus von Gedichten einzugrenzen, die über die Verwandlung einer Stadt berichten, von der sich nicht mit Sicherheit sagen läßt, wie, wann oder warum, sie sich in die heutige Megalopolis verwandelt hat, die wir heute vorfinden. Dazu hat sie die Poesie als verlässliche Informationsquelle über die Wirklichkeit herangezogen, da der Dichter durch seine Art, in dieser Welt zu leben, per definitionem schon immer ein Interpret des Ortes war, jemand, der unsichtbare Energien sammelt und sie in sichtbare umwandelt, indem er sich auf ein breites Spektrum von Bezügen stützt.
Diese poetische Zusammenstellung ist zwar kein historisches Archiv von Mexiko-Stadt, dennoch aber ein Teil seines intimen Archivs. Das Buch enthält ein unverzichtbares Vorwort und eine Einleitung, kurze Einführungen zu den fünf umfangreichen Kapiteln sowie einen umfassenden Abschnitt mit bibliografischen und hemerografischen Angaben. Auf den endlosen Ruinen dieser Stätte errichtet Claudia Kerik ein Denkmal voller Vergangenheit und Zukunft, ein Porträt von Millionen in der Stimme seiner berühmtesten und seiner unbekanntesten Dichter.