Nekropolitik in Mexiko

Nach Foucault zeichnet sich die Moderne durch die Ersetzung des nekropolitischen Verständnisses der Souveränität durch die biopolitische Verwaltung der Bevölkerung aus. Allerdings ist die foucaultsche Idee der Biomacht als ein Gefüge aus Disziplinierungsmacht und Biopolitik laut Achilles Mbembe nicht ausreichend in der Lage, die modernen Formen der Unterwerfung zu erklären: Sie lässt den Fortbestand nekropolitischer Techniken innerhalb liberaler Demokratien außer Acht und unterschätzt die zentrale Bedeutung kolonialer Sklaverei als Bedingung der Möglichkeit für die Entwicklung des westlichen Kapitalismus. Die Macht der Souveränität tritt durch die Schaffung von Zonen des Todes in Kraft, in denen der Tod zur ultimativen Ausübung von Herrschaft und zur primären Form des Widerstands wird. Nekromacht ist zum Schlüsselkonzept für die Erkenntnis einer verallgemeinerten Instrumentalisierung des Lebens und der materiellen Zerstörung der Erde im globalen postkolonialen Zustand geworden.

Im Mandelbaum Verlag ist kürzlich ein Buch von Timo Dorsch erschienen, das genau diese Nekropolitik in Mexiko thematisiert. Im Kontext wuchernder Drogenkriege, wirtschaftlicher Gewalt auf der Grundlage einer Verschuldungspolitik, Rassismus, Sexismus, neokolonialer Besetzung, Masseneinsperrungen, ökologischer Ausbeutung, Einschränkungen des Rechts auf Migration und kultureller Zerstörung wirft Dorsch einen Blick auf den Neoliberalismus, den Staat und das organisierte Verbrechen in Mexiko. Als ein G20-Land und ­beliebtes internationales Reiseziel, das seit fast einem Jahrhundert über ein mehr oder weniger funktionierendes demokratisches Regierungssystem verfügt, stellt sich die Frage, ob bei einem Blick auf den Krieg gegen die Drogen, das Drogengeschäft auch heute noch der einzige Wirschaftszweig des organisierten Verbrechens ist. Mexiko muss sich die Frage gefallen lassen, wie überhaupt diese Gleichzeitigkeit zwischen staatlicher Demo­kratie, organisiertem Verbrechen und Gewalt möglich ist. In Nekropolitik geht Timo Dorsch diesem Phäno­men der scheinbaren Widersprüchlichkeit auf den Grund und unternimmt eine systematische Deutung der unzähligen Geographien der Gewalt, in denen die Nekropolitik vorherrscht.