Wenn Nutzer bei sozialen Netzwerken ihre Identität nicht korrekt angeben, müssen sie mit dem Rausschmiss rechnen. Google+ ist für ein hartes Durchgreifen bekannt. Doch auch Facebook lässt nicht alles durchgehen. Die Geschichte einer Account-Sperrung
Ein mächtiger Mann in Badelatschen namens Mark Zuckerberg hat den Draht zwischen mir und meinen Freunden gekappt – Facebook hat mich rausgeschmissen und meinen Account gesperrt. Ein beklemmendes Gefühl. Gibt es Auswege aus der erzwungenen Isolierung? Ein Erfahrungsbericht.
Noch vor wenigen Tagen schwor ich Mark Zuckerbergs Multimilliardenverein für soziale Internetkontakte ewige Treue – öffentlichkeitswirksam via Twitter. Anlass für meinen Treueschwur war das Verhalten des neuen Konkurrenten Google+. Der sperrte zahlreiche Profile von Usern, die ihre Identität falsch angegeben hatten. Das gibt es bei Facebook nicht, dachte ich mir: Locker ein Fünftel meiner Kontakte treibt Schabernack mit Namen und Profilfoto. Da wird zum Beispiel die zweite Hälfte des Vornamens zum Nachnamen befördert. Und vor rund einem Jahr verzierten nach einem User-Aufruf massenhaft nostalgieträchtige Comic-Charaktere die Profile vieler Facebook-Nutzer: Captain Future, Darkwing Duck und Charlie Brown gaben sich die Ehre.
Ich wiege mich also in Sicherheit, sowohl meinen Nachnamen als auch mein Profilbild entgegen der Nutzungsbestimmungen nicht-identitätskonform einzurichten und regelmäßig via Profilbild meine liebsten Film- und Seriencharaktere zu präsentieren. Umso schlimmer das böse Erwachen am vergangenen Freitag: Herr Zuckerberg hat mich aus seiner Weltgemeinschaft ausgesperrt, mir unvermittelt die Tür vor der Nase zugeknallt und den heiligen Mitgliedsausweis durch den Schredder gejagt. Lapidar heißt es nur: Account gesperrt. Bei Fragen oder Bedenken schauen sie doch mal in den FAQ-Bereich. Dort erfahre ich, dass bei „besonders schweren Fällen“ eine Sperrung ohne Vorwarnung erfolgt.
Viele Warnungen vor den Netzmächten
Bin ich also ein besonders schwerer Fall? Keine Email, nichts, direkter Stoß ins digitale Daseins-Herz. Sofort schreibe ich den Damen und Herren in Kalifornien, gestehe meine Schuld ein und verspreche Besserung: Ich werde niemals mehr vorgeben, ein anderer zu sein. Und das Dr. Snuggles-Profilbild vom vergangenen November tut mir wirklich sehr leid. Um die Empfänger nicht in Verlegenheit zu bringen, den beliebten Übersetzungsdienst der Konkurrenz benutzen zu müssen, formuliere ich meine Abbitte sogar auf Englisch. Eine offizielle Reaktion bleibt bis heute aus.
Die FAQ weisen mich noch auf eine weitere Möglichkeit hin, den Zugang zum Ich im Netzwerk zu reaktivieren. Alles was man dafür benötigt ist einen Personal- oder Reiseausweis. Einscannen und „from Europe with Love“ an die Westküste der USA verschicken. Aber wer bei Verstand schickt der Datenkrake Facebook bitteschön Fotos vom Ausweis? Zahlreiche Zeitungen hatten mich in langen Leitartikeln immer wieder gewarnt: Das Internet im Allgemeinen und die Netzmächte Google und Facebook im Speziellen sind potenziell hochgefährlich und auch irgendwie böse. In einem Service-Artikel besuchte eine Netzkritikerin zwei Datenschutz-Fachmänner. Die warnten eindringlich: „Keine Klarnamen in Sozialen Netzwerken! Keine erkennbaren Bilder ins Netz! Sonst ist es für die Ewigkeit!“ Ich befolgte den Rat der weisen Männer und habe nun den Salat.
Hundert Freunde verloren
Denn der digitale Netzwerk-Tod ist schmerzhaft. Zumindest, wenn man große Teile seines Privatlebens bei Facebook organisiert. Wann wollten wir uns noch gleich zum Juicy Beats im Dortmunder Westfalenpark treffen? Steht im Gruppenchat. Hatte der alte Schulfreund nicht heute Geburtstag? Steht in seinem Profil. Terminabsprachen, Beziehungsupdates, Diskussionen über Kultur und Politik, unterhaltsame Nonsens-Kommunikation – der ganze soziale Austausch mit den netzaffinen Freunden wird über Facebook abgewickelt. Ist man davon abgeschnitten, kommt das der totalen sozialen Exklusion gleich. Nur Mutti und Vati rufen einen noch an.
Post mortem melden sich dann doch die ersten Besorgten via SMS und Mail: „David, geht’s dir gut? Mein Facebook-Newsfeed ist auf einmal so leer.“ Ich kann nur beklommen antworten: „Ich habe alle meine Freunde verloren. Mehr als 100! Ergebnis von drei Jahren harter Netzwerkarbeit. Zuckerberg hat mich rausgeschmissen.“ Viele Kontakte melden sich hingegen einfach nicht, was unangenehme Fragen aufwirft: Feiern die jetzt meinen Digitaltod auf ihren Pinnwänden und ich bekomme nichts davon mit? Vielleicht wissen die aber auch einfach nicht, wie sie mich kontaktieren sollen: Für wen hatte ich noch gleich Handynummer und Email-Adresse in den Einstellungen freigegeben? Von Vorteil ist, dass ich keine Affären via Facebook unterhalten habe: Alle mit viel Mühe und Herzblut erdachten Liebesbriefe wären für immer weg. Da viele meiner Kontakte Facebook mittlerweile als Email-Ersatz nutzen, habe ich dennoch das Gefühl, als habe jemand meinen Email-Account gelöscht. Hunderte Nachrichten sind futsch. Alle meine Gedanken nach dem Rauswurf laufen schließlich auf eine Frage von existenzieller Tragweite zu: Kann ich ohne Facebook überhaupt leben?
Zur Not Wechsel zu Google+
Die Antwort ist: Wahrscheinlich schon, es würde nur etwas einsamer sein. Und natürlich nicht soviel Spaß machen. Wo hätte ich sonst über die kongeniale „C wie Zukunft“-Kampagne der CDU Mecklenburg-Vorpommern erfahren sollen, wenn nicht zuerst bei Facebook? Und die regelmäßig geschmackssicheren Musikhinweise eines befreundeten DJs aus Hamburg blieben mir ohne Netzwerkzugang ebenfalls vorenthalten.
Kurzerhand beginne ich also, mir ein neues soziales Netzwerk von Zuckerbergs Gnaden aufzubauen. Mit neuer Email-Adresse, neuem, immer noch falschem Nachnamen und einem identitätskonformen Profilbild. Freundschaften anfragen ist ziemlich zeitintensiv. Und was hat mir noch gleich alles gefallen? Ich hoffe, dass meine Mitgliedschaft dieses Mal nicht einem vorzeitigen Ende entgegensteuert. Und zur Not: Gibt’s ja auch noch Google+.
Quelle: David Knollmann
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