Deutschland und das Mütterthema – Status: it’s complicated. Dabei könnte es so einfach sein: Akademikerin, Anfang 30, in fester Beziehung, bekommt ein Kind und steigt nach sechs Monaten Elternzeit wieder in den Beruf ein. That’s it, würde Antonia Baum vielleicht noch anfügen, denn sie liebt diese englischen Einwürfe, die beweisen, dass man sich überall auf der Welt zu Hause fühlen könnte. Aber Kinderkriegen ist eben nicht die natürlichste Sache der Welt, so wie es immer wieder behauptet wird, zumindest nicht in Deutschland. Antonia Baum hat das Kinderkriegen komplett aus der Bahn geworfen. Ihre persönliche Analyse der Gegenwart hat sie „Stillleben“ genannt.
Dass es stellenweise wie eine Beichte klingt, aufzuschreiben, mit welcher Wucht eine Schwangerschaft die eigene Welt zerlegen kann, ist dabei schon Teil der vielen Probleme, die die Autorin umreißt. Antonia Baum ist dabei sehr hart mit sich selbst, zeigt sich gleichzeitig von ihrer verletzlichsten Seite und trifft in vielen Punkten äußerst schmerzhaft ins Schwarze. Es wird klar, warum junge Mütter, besonders die hoch individualisierten Frauen aus akademischen Milieus, ihr Life mit Baby so wahnsinnig hart finden.
Denn in dem Lebensabschnitt, der laut Rollenklischees und gesellschaftlichen Projektionen doch der glücklichste sein sollte, bricht alles zusammen, was sich die urbane Medienfrau an Anerkennung, Gleichberechtigung, Unabhängigkeit und maximaler Selbstverwirklichung aufgebaut hat. Plötzlich verzweifelt Baum daran, dass „Natur und Sozialisierung einen krassen Unfall haben“, dass ihr modernes Leben mit all seinen zivilisatorischen Errungenschaften „eine extrem fragile Fiktion war“. Sie realisiert, wie sehr diese Welt in Sphären von „Mann“ und „Frau“ geteilt ist.
Quelle: Spiegel online