Übersetzung in der ausgrenzenden Sprache

In diesem Jahr 2021 ging der Cervantes-Preis an Cristina Peri Rossi, Schriftstellerin aus Uruguay. In einem Text mit dem Titel „La lengua excluyente“ wird eine sprachliche Feinheit aus der spanischen Grammatik angesprochen, die in der aktuellen Debatte um die geschlechtergerechte Sprache (span. lenguaje inclusivo) leicht untergehen kann. Der folgende kurze Textausschnitt zeigt die Hürden bei der Übersetzung, einen möglichen Ausweg und gleichzeitig die Vielfalt der spanischen Sprache.

Das Wort ‚hombre‘ im Spanischen bedeutet sowohl Mann als auch Mensch. Demnach ist der Satz „Todos los hombres son mortales“ wohl zunächst als „Alle Menschen sind sterblich“ zu übersetzen. Aber dann macht der weitere Verlauf des Gesprächs keinen Sinn mehr. Wenn man ihn aber mit „Alle Männer sind sterblich“ übersetzt, macht es ebenfalls keinen Sinn. Man müsste sich also bei der Übersetzung aushelfen, indem man dem Mädchen ein Missverständnis unterstellt (‚Menschen‘ versus ‚Männer‘). Dies geht aber an dem eigentlichen Sinn des Textes vorbei und fügt ihm einen neuen Sinn hinzu, der wohl so von der Autorin nicht beabsichtigt ist. Die Virtuosität des spanischen Originals geht in der Übersetzung hier also verloren.

Yo tenía cinco años. La maestra escribió en la pizarra: „Todos los hombres son mortales“. Sentí un enorme alivio, un gran regocijo.
Esa tarde, cuando salí del colegio, corrí a mi casa y abracé muy estrechamente a mi madre.
„Qué suerte Mamita, tu no te vas a morir nunca!“ le dije, arrebatadamente.
„Qué?“ preguntó mi madre, sorprendida.
Me separé apenas de ella y le expliqué:
–La maestra escribió en la pizarra que los hombres son mortales. Y tú eres mujer! Por suerte, eres mujer, –dije y volví a abrazarla.
Mi madre me separó tiernamente de sus brazos.
–Esa frase, querida mía, incluye a hombres y mujeres.Todos y todas moriremos algún día.
Me sentí completamente consternada y desilusionada.
–Entonces, por qué no escribió eso?: „Todos los hombres y mujeres son mortales“? pregunté.
–Bueno, –dijo mi madre– en realidad, para simplificar, las mujeres estamos encerradas en la palabra „hombres“.
–Encerradas? –pregunté–. Por qué?
–Porque somos mujeres –me contestó mi madre.
La respuesta me desconcertó.
–Y por qué nos encierran? –le pregunté.
–Es muy largo de explicar, –respondió mi madre–. Pero acéptalo así. Hay cosas que no son fáciles de cambiar.
–Pero si digo „todas las mujeres son mortales“ ¿también encierra a los hombres?
–No –contestó mi madre–. Esa frase se refiere sólo a las mujeres.
Me entró una crisis de llanto.
Comprendí súbitamente muchas cosas y algunas muy desagradables, como que el lenguaje no era la realidad, sino una manera de encerrar a las cosas y a las personas, según su género, aunque apenas sabía qué era género: además de servir para hacer faldas, el género era una forma de prisión.

Ich war fünf Jahre alt. Die Lehrerin schrieb an die Tafel: »Alle Menschen sind sterblich«. Ich fühlte eine große Erleichterung, eine große Freude.
Als ich an diesem Nachmittag die Schule verließ, rannte ich nach Hause und umarmte ganz fest meine Mutter.
„Was für ein Glück, Mamita, du wirst nie sterben!“, sagte ich stürmisch.
„Was?“, fragte meine Mutter überrascht.
Ich löste mich kaum von ihr und erklärte:
„Die Lehrerin schrieb an die Tafel, dass Männer sterblich sind. Und du bist eine Frau! Zum Glück bist du eine Frau“, sagte ich und umarmte sie erneut.
Meine Mutter lockerte zärtlich unsere Umarmung.
„Dieser Satz, meine Liebe, gilt sowohl für Männer als auch für Frauen. Wir werden alle eines Tages sterben.“
Ich war zutiefst bestürzt und enttäuscht.
„Warum hat sie dann nicht geschrieben: „Alle Männer und Frauen sind sterblich“, fragte ich.
„Nun“, sagte meine Mutter, „eigentlich sind wir Frauen, um es zu vereinfachen, in dem Wort ‚Mensch‘ mit eingeschlossen.“
„Eingeschlossen?“ fragte ich. „Warum?“
„Weil wir Frauen sind“, antwortete meine Mutter.
Die Antwort verblüffte mich.
„Und warum werden wir eingeschlossen?“ fragte ich.
„Das dauert zu lang, um es zu erklären“, antwortete meine Mutter. „Du musst das einfach so akzeptieren. Manche Dinge lassen sich nicht so leicht ändern.“
„Aber wenn ich sage ‚alle Frauen sind sterblich‘, sind dann auch die Männer mit eingeschlossen?“
„Nein“, antwortete meine Mutter. „Diese Formulierung bezieht sich nur auf Frauen.“
Ich bekam einen Weinkrampf.
Plötzlich verstand ich viele Dinge, einige davon sehr unangenehm, wie die Tatsache, dass die Sprache nicht die Realität ist, sondern ein Mittel, um Dinge und Menschen aufgrund ihres Geschlechts einzuschließen, obwohl ich kaum wusste, was Geschlecht bedeutete: Geschlecht dient nicht nur dazu, Röcke zu machen, sondern ist auch eine Form des Gefangenseins.

Quelle: Revista Sudestada.