Good bye, Duden!

Für die geschlechtergerechte Sprache (‘lenguaje inclusivo’) in Argentinien hatte ich bereits ausgeführt, dass nach Anischt der Argentinischen Sprachakademie zwangsläufig zwei Wege beschritten werden müssten: der sprachliche und der gesellschaftspolitische Weg. Auch bei uns war über die Jahrhunderte klar: Ein Mieter ist ein Mensch, der etwas gemietet hat. Ob dieser Mensch männlich, weiblich oder divers ist, spielt dabei sprachlich keine Rolle. Schon 2018 warnte Gisela Zifonun vor einer Abschaffung des sogenannten generischen Maskulinums. Dabei bedeutet „generisch“, dass Personenbezeichnungen mit grammatisch männlichem Geschlecht wie „der Mieter“ nichts über das biologische Geschlecht aussagen.

In dem „IDS Sprachreport“ von 2018 (Jg. 34, Nr. 34, S. 44-56) gab sie ein anschauliches Beispiel:

Die Schriftstellerin Thea Dorn sagte in der ZDF-Sendung „Das literarische Quartett“ vom 2. März 2018: „Ich halte sie [Felicitas Hoppe, G.Z.] nicht nur für eine der wichtigsten Schriftstellerinnen, sondern für einen der wichtigsten Schriftsteller Deutschlands.“ Hier wird deutlich, dass die markierte feminine Form Schriftstellerinnen nicht leisten kann, was geleistet werden soll: Einordnung in den Top-Bereich der Gesamtklasse der schriftstellernden Personen Deutschlands. Die maskuline Form Schriftsteller muss hier generisch verstanden werden, aufgrund der vom Subjekt bezeichneten weiblichen Person.

Jetzt reiht sich der Duden ebenfalls in die Reihe derjenigen ein, die mit dem generischen Maskulinum abschließen wollen. Und auch wenn die Geschäftsführerin des Rates für deutsche Rechtschreibung, Sabine Krome, bezweifelt, dass „abenteuerliche Kreationen“ wie Gästin oder Neubildungen wie Bösewichtin, die jetzt im Online-Duden zu finden sind, eine relevante Rolle spielen, sollte vielleicht ein Blick auf den historischen Kontext des generischen Maskulinums geworfen werden.

Die Hermeneutik (gr. ἑρμηνεύειν hermēneúein, dt. ‚ausdrücken‘, ‚aussagen‘, ‚auslegen‘, ‚interpretieren‘, ‚übersetzen‘) ist die Lehre vom Verstehen literarischer Texte und die Kunst der entsprechenden Auslegung. Eine entsprechende Auslegung ist – so legt es der auf den Götterboten Hermes zurückgehende Begriff nahe – diejenige, die den vom Autor beabsichtigten Sinn eines Textes erschließt. Diese grundlegende Funktion der Hermeneutik (und ihre Position im Rahmen einer Interpretationspraxis) ist das Verdienst von F.E.D. Schleiermacher und ist als Modell in seiner heute noch gültigen Form auf ihn zurückzuführen. Gleichzeitig ist auch festzuhalten, dass die feministische Theorie – unter welche die Abschaffung des generischen Maskulinums zweifelsohne fällt – mit ihrer Fixierung auf frauenspezifische Fragestellungen sich als einseitig erwiesen hat. Die feministische Literaturwissenschaft (‚Women Studies‘) führt letztlich zu der Erkenntnis, dass die Beschreibung einer Weiblichkeit immer nur mit Blick auf Männlichkeit und vornehmlich über die Beziehung der Geschlechter angemessenen geleistet werden kann. Da es aber in der Literatur – und mithin auch in der Sprache – immer um die intendierte Aussage geht, sollte eine ideologisch geprägte Veränderung des generischen Maskulinums demnach keine Rolle spielen, wenn nicht auf Kategorien, sondern auf Kontext geachtet wird.

Für weiterführende Informationen, vor allem zu Literatur- und Kulturwissenschaftlichen Ansätzen, lohnt sich als Einstieg die Lektüre der ‚rowohlt enzyklopädie‘ Literatur- und Kulturwissenschaften: Ihre Methoden und Theorien von Sabina Becker.

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