Kultureller Postkolonialismus in Zeiten der „soft power“

Die Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) beschreibt den Begriff „soft power“ [engl.: »weiche Macht«] als eine besondere Form der Machtausübung von Staaten und politischen Akteuren über andere Staaten und Gesellschaften. Zu den Mitteln der „soft power“ zählen, im Unterschied zur „hard power“ [engl. »harte Macht«] mit militärischen Ressourcen, die Vorbildfunktion, Attraktivität und die Vermittlung eigener Normen und Werte. Dabei ist das Spektrum sehr weit gefasst: es reicht von der Anziehungskraft des »American Way of Life« bis zu westlichen Werten wie Demokratie und Menschenrechte, die als Maßstab und Vorbild dienen und zu einer nicht militärischen Konfliktlösung in internationalen Beziehungen beitragen. Geprägt wurde der Begriff in den späten 1980er Jahren vom US-amerikanischen Politikwissenschaftler Joseph S. Nye Jr.

Zu Postkolonialismus schreibt die bpb, dass viele der Aspekte aus dem Kolonialismus nicht zuletzt dank der Anregungen der Postcolonial Studies ins Zentrum der Kolonialgeschichtsschreibung gerückt sind. Diese Forschungsrichtung entstand in den 1980er Jahren, meist unter Bezug auf das Buch Orientalismus von Edward Said. Die Perspektive ist jedoch älter, und bereits bei Mahatma Gandhi, Frantz Fanon oder Aimé Césaire in der Nachkriegszeit finden sich Positionen, die eine ähnlich gelagerte Kritik am kolonialen Diskurs formuliert haben.

Die Postcolonial Studies stehen für einen in hohem Maße interdisziplinären Zugang, der vor allem in der Literaturwissenschaft und den Cultural Studies, aber auch in der Geschichtswissenschaft große Resonanz gefunden hat. Dabei sollte die Vorsilbe „Post-“ im Wort „Postkolonialismus“ nicht ausschließlich zeitlich verstanden werden, also im Sinne von dem, was nach dem Ende des Kolonialismus kam. Dies ist zwar nicht falsch, allerdings impliziert postkoloniale Kritik immer auch Kritik an kolonialen Strukturen, die weiterhin offen oder versteckt, manifest oder latent fortexistieren können – unabhängig davon, ob es die Kolonien formell noch gibt oder sie aber, was inzwischen fast überall auf der Erde der Fall ist, in die Unabhängigkeit entlassen worden sind. Ob Frantz Fanon, Edward Said oder Gayatri Spivak, Homi Bhabha oder Ranajit Guha – die besten postkolonialen Denker betonen, dass die Kämpfe um koloniale Territorien mit einem parallelen Kampf um Denken und Sprache einhergingen. Der Imperialismus war nicht nur ein Modus der territorialen Expansion, sondern auch ein Modus der kulturellen Produktion, der das Unternehmen der Aneignung von Territorien und Individuen legitimierte: ein Projekt, das die Auferlegung der Sprache des Mutterlandes auf die einheimische Bevölkerung in den Mittelpunkt seiner Strategien stellte. So sind Diskriminierung und Minorisierung der muttersprachlichen Gemeinschaften die Ursache für den so genannten „Erfolg“ bestimmter Sprachen wie Englisch, Französisch oder Spanisch.

In dieser Hinsicht sind die Dokumente, in denen der British Council seine Strategien definiert, außerordentlich klar. In einem seiner jüngsten Berichte, „Influence and Attraction. Culture and the race for soft power in the 21st century“ (2013), beschreibt er seine Ziele in ebenso obszönen Begriffen wie die seines ganzen Vorworts:

Britain remains a modern day cultural superpower. Staying competitive in “soft power” for decades to come means nurturing these assets and valuing them as much as our military, economic and diplomatic advantages. We in Government are determined to play our full part in helping to liberate that ingenuity and talent across our national life, and to champion it all over the world.

In demselben Dokument werden die Elemente aufgeführt, auf die sich die Kulturdiplomatie des British Council stützt: „Zu den Kräften, die die Aktivitäten im Bereich der kulturellen Beziehungen verstärken, gehören: außenpolitische Interessen; der Wunsch, in der Welt ein positives Image zu schaffen; die einzigartige Geschichte und das Erbe der einzelnen Nationen; Ideologie; Ressourcen; die Sprache; Kulturgüter – Kunst, Bildung und individueller Ausdruck; Handel.“ Derart aggressive Kulturpolitik, wie sie vom British Council befürwortet wird, trägt zur Zerstörung der sprachlichen und kulturellen Vielfalt bei, angetrieben durch das Mantra der Wettbewerbsfähigkeit auf dem globalen Markt. In den letzten Jahren haben Regierungen in der ganzen Welt eine Politik der zweisprachigen oder sogar einsprachigen Erziehung in der Sprache der ehemaligen Mutterländer eingeführt, mit höchst fragwürdigen Ergebnissen. Ein weiteres Dokument des British Council, „English Next India. The future of English in India“ (2010), legt die Strategie für die Verbreitung der englischen Sprache in Indien dar. Sowohl die Sprache des Dokuments, als auch die Ideologie sind von einer schockierenden (weißen) Vorherrschaft geprägt, ähnlich wie bei den Dokumenten der Kolonialbehörden im 19. Jahrhundert. Ein solcher Diskurs spiegelt letztlich das Überleben des Kolonialismus bis in die heutige Gegenwart wider.