Bei Tralalit, einer Plattform für übersetzte Literatur, ist jetzt ein Kommentar von mir veröffentlich worden, der sich mit der Titelfrage bei „Sangre en el ojo“ von Lina Meruane auseinandersetzt. Unter anderem versuche ich herauszustellen, dass der deutsche Titel „Rot vor Augen“ dem Roman der chilenischen Autorin nicht gerecht wird. Denn Sprachkenntnisse allein reichen beim Übersetzen nicht aus, um die landesspezifischen Nuancen einzufangen. Diese Nachlässigkeit im Titel einer Übersetzung lässt sich auch bei anderen Werken wiederfinden.
In der Büchergilde Gutenberg wurden im Jahr 1992 die besten mexikanischen Erzählungen aus einem Sammelband von Gustavo Sainz in der Übersetzung herausgegeben. Darin findet sich auch die Erzählung „Die Katze“ von Juan García Ponce, übersetzt von Wilfried Böhringer. Die gleiche Erzählung taucht dann 2017 im Verlag Schöffling & Co. in dem Sammelband: „Katzenleben: Neueste Katzengeschichten aus aller Welt“, herausgegeben von Julia Bachstein, in der Übersetzung von Susanne Lange auf.
Auch hier ist der Titel wieder „Die Katze“. Wie ist aber der Titel im spanischen Original? Juan García Ponce, der sich in seinem künstlerischen Schaffen viel mit erotischer Literatur beschäftigt hat, gibt seiner Erzählung den Titel „El gato“, wobei der Artikel „el“ männlich ist, folglich also von einem Kater die Rede ist. Bei der Lektüre dieser Erzählung fällt zudem auf, dass es die Freundin ist, die sich schlußendlich von dem Kater abhängig macht, wir es also mit einer literarischen Opposition zwischen männlich – weiblich zu tun haben, die, so sollte man meinen, gerade in erotischen Erzählungen mit einem Betrachter und einer Protagonistin durchaus eine Rolle spielen könnte. Aber auch hier wurde bei der Übersetzung offensichtlich der Kontext des Autors unberücksichtigt gelassen. Und der Grund für die Wahl des deutschen Titels „Die Katze“ kann eigentlich nicht gewesen sein, um auch diese Erzählung in dem Sammelband „Katzenleben“ mit aufzunehmen, da es bei den dort vorgestellten Erzählungen eher um die Gattung „Katzen“ geht und nicht um den Plural der Katze.
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