In ihrer Kolumne Verbotene Tiere bei Tralalit, dem Magazin für übersetzte Literatur, geht Christiane Quandt in einem Beitrag unter dem Titel Zwischenspiel: alternde Übersetzungen versus ewig junge „Originale“ auf angeblich alternde Übersetzungen ein. Sie bezieht sich dabei zunächst auf ein Zitat von Michi Strausfeld im Deutschlandfunk, bei dem Strausfeld auf die Frage, wie sie die Übersetzungen von Curt Meyer-Clason aus heutiger Sicht beurteil, folgendes anführt:
Strausfeld: Das Problem von vielen Übersetzungen ist, dass sie altern. Während die Originale nicht altern, altern viele Übersetzungen. Das gilt sicherlich für einige der Übersetzungen von Curt Meyer-Clason.
Quandt stellt diesem Urteil dann zwei Theorien aus der Übersetzung entgegen. Da wäre zunächst die Neuübersetzungs-Hypothese von Antoine Berman, bei der jede Neuübersetzung eine weitere Annäherung an ein Ideal bedeutet, durch welche am Ende sämtliche „Problematiken“ des Ausgangstextes im Idealfall gelöst werden. Der zweite Punkt, den Quandt anführt, ist der Konsens, „dass Übersetzungen den jeweiligen sprachlichen Normen und Gegebenheiten einer Zeit entsprechen und somit in der Zeit ihrer Entstehung verwurzelt sind […] allerdings [mit] Ausnahmen, die dann „große Übersetzungen“ genannt werden“. Obwohl sie diese beiden Punkte zunächst mal so stehen lassen will und mit ihrer Kritik an diesen „großen Übersetzungen“ anknüpft, trifft sie vorher genau den Kern des Problems: „Texte bewegen sich in Kontexten und sind von diesen abhängig. Das gilt für Prosa und Lyrik ebenso wie für Fachtexte sämtlicher Gebiete […]. Weil Texte eben nicht im leeren Raum schweben. Weil sie in komplexen Beziehungen zur Realität stehen. Weil sie teilweise Realitäten abbilden, die es zu bestimmten Zeiten noch nicht oder nicht mehr gibt. Weil Sprache lebt und sich entwickelt. Und als sprachliche Ausdrucksformen leben auch Textkonventionen und entwickeln sich. Weil das, was einst skandalös war […], in anderen Zeiten und an anderen Orten zur Norm gehört“.
Sollte ein Prosa-Text, ebenso wie die Lyrik, nicht immer der Zeit verhaftet bleiben, in der er entstand? Kommt es nicht einer Zensur gleich, einen Text entweder „umzuschreiben“ oder gar zu entfernen, wenn der Inhalt nicht mehr in die eigene Zeit passt? Statt einen Text neu zu übersetzen, sollte lieber darüber gesprochen werden, was ein Text mit den über die Jahre gewonnenen neuen Erkenntnissen in uns auslöst, welche Probleme er beinhaltet etc. Der Don Quijote, der eines Tages gegen Windräder kämpft, weil es keine Windmühlen mehr gibt, verliert auch in der Metapher seinen Sinn, wenn versucht wird, ihn in die neue Zeit zu katapultieren, anstatt ihn in seiner Zeit verhaftet zu betrachten.
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