Colonia Dignidad – eine deutsche Sekte am anderen Ende der Welt, die Menschlichkeit versprach und in der Unmenschliches geschah. Exklusiv erzählt durch das „Archiv der Hölle“ und Schilderungen aus dem Innern. Der selbst ernannte Prediger Paul Schäfer aus Bonn schart im Nachkriegsdeutschland Anhänger um sich – es sind Menschen auf der Suche nach Frieden, Hoffnung und Wohltätigkeit. Zunächst im kleinen Örtchen Gartow an der Elbe, dann in Heide bei Siegburg. Hier gründet die Gemeinschaft ein Jugendheim, das ein gottesfürchtiges Leben verspricht. 1961, im Schatten des Kalten Krieges, wandert die Gemeinschaft nach Chile aus. Rund 350 Kilometer südlich von Santiago, fernab aller Zivilisation, gründen sie die Colonia Dignidad, die „Kolonie der Würde“, und wähnen sich im Paradies. Inmitten unberührter Natur bauen sie innerhalb kurzer Zeit ein deutsches Musterdorf auf, mit Werkstätten, Landwirtschaft, Viehzucht und einem Krankenhaus für die notleidende chilenische Bevölkerung. Ein Vorbild an Solidarität und Aufrichtigkeit, so scheint es. Paul Schäfer jedoch verfolgt eine eigene Agenda. Er, der in Deutschland wegen Kindesmissbrauch gesucht wird, etabliert in Chile ein rigides System: Er zerstört Familien und lässt sein Anhänger bis tief in die Nacht arbeiten und beten. Jeder Widerstand wird im Keim erstickt. Doch dann wird Schäfer bei einem Jagdunfall lebensgefährlich verletzt.
Der Doku-Vierteiler aus dem Jahr 2019 kann noch bis zum 09.04.2020 in der Arte Mediathek angeschaut werden. Er taucht ein in die Abgründe der deutschen Sekte Colonia Dignidad – der sogenannten „Kolonie der Würde“. Ehemalige Sektenmitglieder erzählen das erste Mal vor der Kamera von ihren traumatisierenden Erlebnissen. Der Operationschef der rechten Miliz Patria y Libertad spricht über die Verbindung der deutschen Sekte zu den Putschisten gegen Präsident Salvador Allende. 300 Deutsche haben in Chile am Ende der Welt ihr Leben dem Dienst an Gott und den Armen verschrieben, in Wirklichkeit aber prägen harte Arbeit, Gewalt und Missbrauch ihren Alltag. Ihr religiöser Anführer Paul Schäfer aber hat, wovon er immer träumte: ein eigenes Reich, abgeschottet von der Außenwelt, in dem er willkürlich herrschen und seinen perversen Neigungen nachgehen kann. Die isoliert lebende Gemeinschaft Colonia Dignidad öffnet sich mehr und mehr der chilenischen Öffentlichkeit. Die Erleichterung unter den deutschen Sektenangehörigen über den Militärputsch ist im September 1973 zunächst groß. Anführer Paul Schäfer dient sich den neuen Machthabern an: Geheimpolizeichef Manuel Contreras und Diktator Augusto Pinochet.
Sektenführer Paul Schäfer erweitert sein Reich und schafft sich einen menschlichen Schutzschild, der die Kolonie gegen Anfeindungen verteidigt. Er öffnet die sonst so abgeschottete Colonia Dignidad nun auch für die chilenische Bevölkerung: Essen, Freizeitbeschäftigung und Krankenversorgung sind umsonst. Und er vergeht sich nun auch an chilenische Jungen. Anders als die deutschen Opfer vertrauen sich die chilenischen Jungen ihren Eltern an. Diese sind geschockt und handeln. Mehr als 30 Jahre nach Schäfers Einreise nach Chile nimmt die chilenische Polizei Ermittlungen auf – Schäfers Missbrauch kommt ans Licht. Diesem gelingt es, sich den Ermittlungen zu entziehen: Er versteckt sich auf dem weitläufigen Gelände der Kolonie und flieht 1997 nach Argentinien. Seine Anhänger werden sich selbst überlassen. Einige wenige werden als Helfershelfer verurteilt, alle anderen ringen bis heute darum, ein eigenes Leben zu leben. Wer ist Opfer und wer ist Täter? Was ist in Anbetracht des Grauens und der zerstörten Leben gerecht? Wo fängt Schuld an und wo hört sie auf? Wie sieht die Zukunft der Kolonie, die sich heute Villa Baviera nennt, aus? Angesichts des jahrzehntelangen politischen und moralischen Versagens Fragen, auf die es immer noch keine eindeutigen Antworten gibt.
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