Redes II: Literatur und Aktivismus in Lateinamerika

Bild: NTNU

Vom 11. bis zum 12. Mai fand in Trondheim, Norwegen, die zweite Konferenz über lateinamerikanische Literatur- und Kulturstudien in den nordischen Ländern (Redes II) statt. Redes ist eine Initiative zur Schaffung und Erhaltung eines breit angelegten, dezentralen und dauerhaften Forums für Literatur- und Kulturstudien mit Schwerpunkt Lateinamerika. Ziel ist es, den Austausch zwischen Lateinamerikanisten in den verschiedenen nordischen Ländern und mit Lateinamerikanern, Europäern im Allgemeinen und anderen Regionen der Welt zu fördern.

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Das Undenkbare

Bild: Buxus Edition

Das Undenkbare, die Übersetzung von Unthinkable. Trauma, Truth, and the Trials of American Democracy ist ein Appell an die Eintracht und die Hoffnung, aber auch ein leidenschaftlicher Kampf für Brüderlichkeit und Wahrheit zur Verteidigung der demokratischen Werte. Gleichzeitig ist es eine Liebeserklärung von Jamie B. Raskin an seinen Sohn Thommy, der sich Ende 2020 das Leben nahm. Am 6. Januar 2021 begab sich der Kongressabgeordnete Jamie B. Raskin auf den Capitol Hill in Washington D.C., um die Wahlergebnisse festzustellen und Joe Biden offiziell zum Sieger der Präsidentschaftswahlen 2020 zu erklären. Als die Wahl ausgezählt wurde, versuchte ein von Präsident Trump angefeuerter Mob, den Prozess zu stören, indem er das Kapitol stürmte. Raskin erlitt einen heftigen und umfassenden Schock in seinen Grundfesten. Noch nie hatte er sich so gleich weit entfernt zwischen dem zunehmend unerkennbaren Ort namens Leben und dem plötzlich vertrauten und sich ausweitenden Zuständigkeitsbereich namens Tod gefühlt. Das Buch ist nun in der Übersetzung von Nathaniel Horowitz und Karoline Ruhdorfer bei Buxus Edition erschienen.

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Erinnerungen von Ilse an die Colonia Dignidad

Ilse kämpfte bis zu den letzten Monaten ihres Lebens für Gerechtigkeit. Damit sich eines Tages die Tore der Colonia Dignidad schließen würden. Der makabre Ort, an dem Kinder, Frauen und Männer, Deutsche, Chilenen und viele andere Nationalitäten von Schäfer und den Oberhäuptern der Sekte gequält wurden.

So beginnt dieser Roman, der das Ergebnis einer gründlichen Recherche über ein Leben und seinen dramatischen Schauplatz ist. Er spielt in der Colonia Dignidad, einer Siedlung deutscher Kolonisten, die in den 1960er Jahren von Paul Schäfer, einem ehemaligen Mitglied der Hitlerjugend, in Chile gegründet wurde. Als Leiter der Kolonie führte Schäfer nationalsozialistische Praktiken durch, denen er einen religiösen Charakter verlieh. In den langen Jahren seines Wirkens sammelte er viel Macht und Geld an und war ein enger Mitarbeiter Pinochets, der die Kolonie in den Dienst des Diktators stellte, wobei er von der deutschen Regierung unterstützt wurde. Nur wenigen gelang es, von diesem Ort zu fliehen, die die Gräueltaten anprangerten, wie die Protagonistin dieser Geschichte, die uns unerbittlich in die Rekonstruktion dieser tyrannischen Atmosphäre hineinzieht.

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Wie steht man das durch? Die Antwort ist Liebe

Bild: Amazon

Dieses Buch zu lesen ist nicht gerade einfach! Maria Brandt schreibt mit offenen Worten ganz ungeschönt über die Höhen und Tiefen, den Schmerz und die Freude – all das, was sie in den letzten Wochen und Monaten mit ihrem unheilbar an Krebs erkrankten Mann durchlebt hat. Ehrlich und direkt beschreibt sie, wie hilflos und machtlos sie sich oft gefühlt, und doch immer wieder den richtigen Weg gefunden hat.

Als sie erfährt, dass ihr Mann Andrea Bizzotto an Krebs erkrankt ist, ist sie gerade einmal 32 Jahre alt und mit ihrem zweiten Kind, einer Tochter, schwanger. Operation, Bestrahlung, Chemotherapie ihres Mannes – und mittendrin die Geburt der kleinen Tochter. Das neue Leben auf der einen Seite, der nahende Tod von ihrem Mann auf der anderen: Der Krebs zwingt die junge Familie, sich immer wieder zwischen diesen Extremen zu bewegen.

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Rezension zu „Marinera. Ein letzter Tanz“

Peru-Vision ist eine Informationsplattform für Personen und Organisationen, die sich für Peru interessieren. Sie möchte Kooperationen und den Erfahrungsaustausch zwischen Peru und den deutschsprachigen Ländern fördern und informiert über Produkte im Handel zwischen diesen Ländern, über Investitionsprojekte und Geschäftsmöglichkeiten, Politik und Entwicklungszusammenarbeit, über kulturelle, touristische und gastronomische Höhepunkte.

Jetzt hat Ernst R. Hartmann auf dieser Plattform eine Rezension zu Marinera. Ein letzter Tanz veröffentlicht. Darin schreibt er unter anderen, dass das Buch eine Herausforderung ist, „ein in unzählige Scherben zerbrochener Spiegel“, weil der Autor nicht linear erzählt. „Er lässt seine Personen selbst zu Wort kommen. In 57 Gesprächen, eher noch Ansprachen, in wörtlicher Rede, oft ineinander verschachtelt, berichten sie über ihr Leben, ihre Liebe, über ihre Arbeit, ihre Begegnungen, Hoffnungen und Enttäuschungen.“

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Das Land meiner Träume

Im Oktober 2019 führte die Erhöhung der Metropreise in Santiago de Chile zu heftigen sozialen Protesten. Über eine Million Menschen demonstrierten für ein gerechteres Bildungs- und Gesundheitssystem und eine neue Verfassung. Diese sollte die strengen Regeln ersetzen, die dem Land während der Militärdiktatur Pinochets auferlegt worden waren. An vorderster Stelle der Proteste: Die Frauen, deren Sprechgesänge besonders laut erklingen. Der Filmemacher Patricio Guzmán hält die langersehnte Revolte in seiner Heimat mit eindringlichen Bildern von den Straßen Santiagos und in Interviews mit zahlreichen AktivistInnen fest und liefert ein erfrischendes Zeitdokument, das fesselt, aber auch unter die Haut geht.

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Niemand wird mich weinen sehen

Der Roman Nadie me verá llorar von Cristina Rivera Garza, einer mexikanischen Soziologin, Historikerin und Schriftstellerin, ist ein fiktionaler Text. Er hat seine eigenen Codes, die sich von denen einer sozio-historischen Untersuchung unterscheiden, auch wenn die Autorin 1995 am Historischen Institut der Houston Universität promoviert hat. Heute arbeitet sie als Außerordentliche Professorin für Hispanistik und Direktorin des Programms für kreatives Schreiben an eben dieser Universität und ist Autorin von sechs Romanen und zahlreichen Sammlungen von Kurzerzählungen.

Im Mittelpunkt des Romans steht die Geschichte der Liebe und/oder Besessenheit eines Fotografen zu einer Prostituierten und Verrückten. Joaquín Buitrago, ein Fotograf von Dirnen und Geisteskranken, erkennt in einer Verrückten aus La Castañeda, einer Irrenanstalt, die der frühere Präsident Mexikos, Porfirio Díaz, 1910 in einer ehemaligen Hazienda in Mixcoac eingeweiht hat, eine Prostituierte namens Matilda Burgos, die er Jahre zuvor in La Modernidad kennengelernt hatte. Genau dafür stehen ihm die Mittel zur Verfügung: Sein Auge ist ein Fotoapparat, sein Fotoapparat oder seine ’Daguerreotypie‘ ist die notwendige „Identifizierungs“-Ausrüstung, und so wie die Fotografie zur Kontrolle der Frauen auf der Straße als eine Art sanitäres und polizeiliches Phantombild eingesetzt wurde, so wurde sie auch zur Kontrolle in den Irrenanstalten verwendet.

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Gedenkstätte für und in der Colonia Dignidad

Seit 2014 arbeitet ein interdisziplinäres Team mit verschiedenen Betroffenengruppen der Colonia Dignidad an der Frage, wie die Vergangenheit am historischen Ort thematisiert werden sollte (vgl. hierzu die Bestandsaufnahme partizipativ erinnern). 2016 stellte die chilenische Regierung einen Teil der Siedlung unter Denkmalschutz, im Jahr darauf gründete sich eine Gemeinsame Kommission aus Vertretern der chilenischen und der deutschen Regierung, die zwei chilenische und zwei deutsche ExpertInnen mit der Entwicklung eines Gedenkstättenkonzepts beauftragte. Das Gelände wurde nach der Festnahme des Anführers der Colonia Dignidad, Paul Schäfer, im Jahr 2005 mit Unterstützung der Bundesregierung über die GIZ in ein Freizeit- und Tourismuszentrum umgewandelt, in dem Hochzeiten und deutsch-folkloristische Feste gefeiert werden. Die Diskussion über diese Nutzung des Geländes ist Teil des Prozesses um eine zukünftige Gedenkstätte in der ehemaligen deutschen Siedlung (ebda., S. 76).

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Zwanzig Jahre nach dem Streik an der UNAM

Bild: CNDH México

Die Geschichte des modernen Mexiko ist voll von Szenen, in denen sich die Behörden als unfähig erwiesen haben, junge Menschen zu verstehen. Angesichts der fortschrittlichen Forderungen verschiedener sozialer Bewegungen, die in den Herzen der neuen Generationen entstanden sind, ist die häufigste Reaktion die Halsstarrigkeit. Es ging nicht um einen Mangel an Verständnis, sondern um ein völliges Versagen, zuzuhören. Stigmatisierung und Kriminalisierung waren jahrzehntelang die bevorzugten Antworten der am meisten dialogunfähigen Regierungen. Mehr als einmal wurden Jugendliche als Bedrohung für Stabilität, Frieden und öffentliche Ordnung bezeichnet. Unterdrückung bis hin zum Völkermord wurden zur Sprache des Staates, der von Personen geführt wurde, die nicht in der Lage waren, in den Meinungsverschiedenheiten enorme Chancen für das Land zu sehen.

Ein Großteil des politischen Fortschritts wie auch im Bereich der Menschenrechte ging zweifellos von den Studentenbewegungen aus. Niemand kann beispielsweise den Wendepunkt von 1968 und die offene Wunde des Massakers vom 2. Oktober in Tlatelolco leugnen, die bis heute nachwirkt. Jede Bewegung war auf ihre eigene Art und Weise eine soziale Forderung nach einer besseren Zukunft. Der Widerstand gegen Ungerechtigkeit, der Kampf für Gerechtigkeit und die Infragestellung von absurd ausgeübter Macht haben sich in verschiedenen Protesten, Märschen, Streiks, Arbeitsniederlegungen, kurz gesagt in der Wiederaneignung des öffentlichen Raums ausgedrückt. Es besteht kein Zweifel, dass der Diskurs der Macht alle durchdrungen hat. Ein Beweis dafür ist, dass Worte wie die eingangs genannten nicht ohne einen Hauch von Stigma ausgesprochen werden können; sie scheinen mit Disqualifikationen verbunden zu sein. Es ist unsere Aufgabe, durch Reflexion und Analyse diese Mechanismen abzubauen, die versuchen, die in den organisierten Aktionen der Bürger verborgene Fähigkeit zum Wandel unsichtbar zu machen. Dieses Buch ist ein Versuch in diese Richtung, in die Konstruktion einer Geschichte, die nicht ausschließlich aus der Perspektive der Macht erzählt wird.

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Deutsche Erinnerungslücken

Bild: wbg THEISS

Vor dem Hintergrund der deutschen Erinnerungslücken versammeln die Historikerinnen Franziska Davies und Katja Makhotina in ihrem Buch Offene Wunden Osteuropas: Reisen zu Erinnerungsorten des Zweiten Weltkriegs Berichte osteuropäischer Zeitzeugen in Form von zehn Essays, geschrieben im lebendigen Reportage-Stil. Obwohl als populärwissenschaftliches Buch verfasst, handelt es sich um die perfekte Einführung in die blutige Geschichte Osteuropas und bereitet ein schwieriges Thema gut lesbar auch für Nicht-Experten auf, ohne es dabei zu sehr zu vereinfachen.

Die Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg ist das Fundament Europas und prägt unsere gemeinsame Gegenwart und Zukunft. Doch was wissen wir wirklich über den Zweiten Weltkrieg in Osteuropa? Beide Autorinnen plädieren für eine gemeinsame Erinnerung, aus der ein neues europäisches Bewusstsein entstehen kann, und laden dazu ein, sich mit der Geschichte der eigenen Groß- und Urgroßeltern zu beschäftigen.

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